Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel (25)

Erstes Kapitel 
DIE INNENPOLITISCHE SITUATION DES SAARGEBIETES UNTER 
REICHSDEUTSCHEM EINFLUSS VOR DER VOLKSABSTIMMUNG 
1, Die Chancen des Status quo-Modells auf nationaler und interna¬ 
tionaler Ebene 
Die im Versailler Vertrag1 (Teil III, Abschnitt 4, Artikel 45-50) sowie in dem als 
Anlage beigefiigten sogenannten Saarstatut (§§ 1-40) festgelegten Bestimmungen 
zur 15jährigen Abtrennung des Landes an der mittleren Saar2 von Deutschland 
standen zu Beginn des Jahres 1935 zur Lösung an3. Die Unterstellung des Saar¬ 
gebietes unter eine vom Rat des Völkerbundes gewählte, jährlich bestätigte und 
ihm verantwortliche internationale Regierungskommission (Reko) endete ver¬ 
tragsgemäß im Januar 1935. Drei Abstimmungsaltemativen boten sich für die Zu¬ 
kunft der Saar an: 
a. Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtsordnung (Status quo), 
b. Vereinigung mit Frankreich, 
c. Vereinigung mit Deutschland4. 
Damit konnte nicht nur der Übergangsstatus des Gebietes beendet werden, sondern 
es bot sich auch die Gelegenheit, die aus dem oktroyierten Regierungs- und Ver¬ 
waltungsapparat des Völkerbundes erwachsen Spannungen zu beseitigen, - Span¬ 
nungen, die aufgrund der engen wirtschaftlichen Bindung an Frankreich nahezu 
allen Parteien Zündstoff lieferten, die größtenteils aus den nationalen Gegebenhei¬ 
ten resultierten und seit der Machtergreifung Hitlers völlig neue Dimensionen an¬ 
genommen hatten5. Mit Hitler, seiner Nationalsozialistischen Partei, vor allem 
1 RGBl. 1919 I S, 768-803. Siehe auch: Der Vertrag von Versailles. Vgl. C. Groten, Die Volksabstim¬ 
mung, S. 19ff. H. Hirsch, Die Saar in Versailles, S. Wambaugh, The Saar Plebiscite, S. 37-69. 
Nach dem 2. Pariser Friedensvertrag vom 20.11.1815 gehörten die Teile des geschaffenen 
"Saargebietes" zum Königreich Preußen (1.487,54 qkm), zum Königreich Bayern (425,60 qkm) und 
zu Sachsen-Coburg (Gemeinden bei St. Wendel). 
•3 
28. 6. 1919: Unterzeichnung des Versailler Vertrages. 20. 1. 1920: Ratifizierung des Versailler Ver¬ 
trages. 
4 Reihenfolge auf dem Abstimmungsschein wie im Vertragstext. Vgl. W. Moritz, "Deutsch die Saar", S. 
902f. Zu der vom Reich vertretenen Auffassung eines "Verzichts auf die Abstimmung" s. H. Dietrich, 
"Die Volksabstimmung", S. 681-684. Zu den Problemen aus der 15jährigen Sonderstellung s. H.-W. 
Herrmann, Der Oberpräsident, S. 746-770. 
5 Vgl. A. Hitler, Mein Kampf, bes. Bd. I, Kap. 11: Volk und Rasse, S. 311-362 sowie Bd. II, Kap. 1: 
Weltanschauung und Partei, S. 409-424. Zur Darstellung der Saarverhältnisse im Ausland, ganz im 
Sinne reichsdeutscher Politik, vgl. die "Chicago Tribüne", Saar Supplement No 2, June 13, 1934 mit 
Beiträgen von H. Röchling, C. Groten, W. Cartellieri, Fr. Kloevekom, Dr. Neikes, Dr. Latz, H. Keuth 
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