fentlich abgelehnt oder ignoriert19. War die Status quo-Argumentation schon
schwierig genug, so verschärfte sich diese Situation gleichsam mit dem Ruf nach
einem Sowjet-Deutschland; und geradezu unglaubwürdig wirkten die überzogenen
Versprechungen der KPD für Deutschland und die Saar für die Zeit nach einem
Sieg. Honecker selbst behauptet allerdings, daß "bis ins Jahr 1933 hinein ... 'das
freie, sozialistische Deutschland* durchaus eine reale Möglichkeit und kein irrealer
Wunschtraum"20 gewesen sei. Erst als trotz des Terrors der Hitler-Faschisten Ge¬
genaktionen ausgeblieben seien, habe sich die Partei im Laufe des Jahres 1934 zur
Befürwortung des Status quo durchgerungen; er selbst schätzte die antifaschisti¬
schen Stimmen auf "höchstens 30 bis 35 Prozent"21.
Von seiten des Zentrums erschienen bereits im Frühjahr 1933 einzelne kritische
Stimmen zum NS-Regime. Kontakte der Zentrumsopposition mit der SPD/S be¬
standen seit Januar 1934. Eine Neuformierung dieses politischen Katholizismus',
besonders des Kreises um Johannes Hoffmann, der im Februar 1934 aus der Re¬
daktion des bisherigen Sprachorgans der Katholiken, der "Saarbrücker Landeszei¬
tung", auf Betreiben der Reichsregierung entfernt worden war22, zog sich bis zum
Herbst 1934 hin. Zwar bestanden beim Vorsitzenden des Saar-Zentrums, Pfarrer
Bungarten23, und zahlreichen Geistlichen unter der Führung des Saarbrücker De¬
chanten Dr. Schlich größte Vorbehalte gegen die Aktionen der NSDAP, besonders
nach dem Schwedeninterview Spaniols in der S.L.Z., doch war es erst im Mai
1934 zur Gründung der "Neuen Saar-Post" gekommen. Die katholische Opposition
hatte in offenen Briefen24 in der S.L.Z. und in der "Neuen Saar-Post" nach den
Morden an dem Berliner Leiter der "Katholischen Aktion", Erich Klausener, und
dem Führer der "Deutschen Jugend Kraft", Adalbert Probst, ihre Opposition kund¬
getan und der katholischen Bevölkerung an der Saar Möglichkeiten zum Umden¬
ken geliefert.
Doch der konkrete Ansatzpunkt zu einer neuen Alternative blieb aus. Die Bischöfe
von Trier und Speyer bezogen eindeutig Stellung gegen eine katholische Opposi¬
tion, die sich vom Reich lossagte. Bischof Bomewasser selbst lehnte die "Neue
Saar-Post" ab25. Scharfe Ablehnungen, wie die von Pater Hugolinus Dörr auf der
19 E. Honecker, Erich Honecker. Aus meinem Leben, S. 53.
20 Ebd. S. 78.
21 Ebd. S. 57.
22 Vgl. M. Zenner, Parteien, S. 294f.
23 Z.B. Bungartens Kritik auf dem kath. Gesellentag in Homburg am 17.6.1934: "Deutsche Freiheit" v.
19.6.1934: "Saar-Katholiken gegen das Dritte Reich'".
24 E. Kunkel, Die Sozialdemokratische Partei, S. 109; M. Zenner, Parteien, S. 311; "Deutsche Freiheit" v.
17.7,1934; "Neue Saar-Post" v. 15.9.1934.
25 Weitere Einzelheiten bei M. Zenner, Parteien, S. 312ff.; P. v.z. Mühlen, "Schlagt Hitler an der Saar!",
S. 132-138. Zu einer Kontroverse zwischen "Deutsche Freiheit" und Bischof Ludwig Sebastian von
Speyer bezüglich einer angeblich wohlwollenden Absprache in der Kirchenpolitik zwischen Bürckel
und Bischof s. "Deutsche Freiheit" Nr. 273 v. 7.12.1934.
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