Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

mühungen des Bundesvorstandes des ADGB auch in der nationalen Volksgemein¬ 
schaft freie Betätigung und Lebensraum"10 erhalten bleiben möge. Die zahlreichen 
Versuche von seiten des Auswärtigen Amtes und von saarländischen Persönlich¬ 
keiten (z.B. Fritz Kuhnen, Gewerkschaftssektretär der Christlichen Gewerkschaft 
am 6. Juni 1933), trotz der Vernichtung der freien Gewerkschaften im Reich am 2. 
Mai 1933 den saarländischen Bezirksleiter des Verbandes der Bergarbeiter 
Deutschlands und gleichzeitigen 2. Vorsitzenden der SPD/S, Julius Schwarz, zur 
Gleichschaltung seiner Organisation mit der Arbeitsfront zu bewegen, scheiter¬ 
ten11. Hätten diese Vorgänge die Sozialdemokraten an der Saar bereits zum Um¬ 
denken zwingen müssen, so glaubten sie doch noch weiter an eine Verhinderung 
des Parteiverbots. Erst seit der Jahreswende 1933/34 traten sie öffentlich für den 
Status quo ein. Doch mußte dem SPD-Wähler mit dieser Entscheidung die Diver¬ 
genz zwischen der Bekämpfung des Nationalsozialismus' einerseits und dem jahre¬ 
langen Eintreten für die Rückgliederung andererseits erst einmal plausibel ge¬ 
macht werden, - ein Umstand, der vor allem dann Schwierigkeiten bereitete, wenn 
im Bewußtsein des einzelnen zwischen Hitler und Heimat noch keine allzu große 
Kluft eingetreten war. Die mangelnde Unterstützung der Vorschläge für eine 
zweite (endgültige) Abstimmung nach dem Sturz des NS-Regimes durch den Völ¬ 
kerbund mußten die Chancen einer Status quo-Lösung noch vermindern. 
Die "Kommunistische Partei Deutschlands, Bezirk Saar", hatte zwar in den 20er 
Jahren auf Landesebene einen steten Zuwachs an Stimmen zu verzeichnen, ihr po¬ 
litisches Gewicht im öffentlichen Leben war jedoch verhältnismäßig gering, mit 
Ausnahme auf Gemeinde- und Stadtratsebene, wo sie ihre politische Arbeit vor Ort 
leisten konnte. Ihr Fernziel einer "Roten Saar in einem Räte-Deutschland" konnte 
an der Saar keine Massen bewegen. Nach Hitlers Machtergreifung wurde im ein¬ 
zigen Parteibezirk der KPD, der legal weiterbestehen konnte, von den Kommu¬ 
nisten das NS-Regime als kurzlebig erachtet; sein Erbe falle über kurz oder lang 
der KP zu. Aus dieser Grundeinstellung heraus sind Äußerungen zu verstehen wie: 
"Zurück zu Deutschland und wenn es ins Konzentrationslager ist" oder "Zurück zu 
Deutschland und wenn es auf Krücken sein muß"12. An der einmal ausgegebenen 
klassenkämpferischen Parole änderte sich auch vorerst nichts. An eine gemein¬ 
same Aktion mit der als "sozialfaschistisch" angesehenen SPD-Führung wurde 
nicht gedacht. Die ersten Denkansätze der SPD/S zu einem neuen Weg wurden in 
der "Arbeiterzeitung" niedergeschrieen, wo eine Aktionsgemeinschaft auf Landes¬ 
ebene undenkbar erschien. Ansätze hierzu bahnten sich nur an der Basis, auf Orts¬ 
ebene, an, wenn es galt, gegen den gemeinsamen Gegner Front zu machen. Be¬ 
richte aus dem Reich, besonders von geflohenen Parteifreunden, verstärkten all¬ 
mählich diese Einstellung, so daß der Umdenkprozeß in der Partei am 3. und 4. 
Februar 1934 zu einer Sitzung des ZK in Saarbrücken führte, wo eine starke 
Gruppe sich gegen die Rückgliederung aussprach. Der Kompromiß, "Nicht für 
Hitler-Deutschland", aber auch nicht für den französischen Imperialismus, konnte 
10 Ebdv. 18.4.1933. 
11 E. Kunkel, Die Sozialdemokratische Partei, S. 80f. 
12 Zitebd. S.90. 
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