Letztlich zählte wohl auch das allzu reichsfeindliche, teilweise sogar rein wirt¬
schaftspolitisch motivierte Parteiprogramm mit der Absicht zur Abschaffung der
kapitalistischen Gesellschaft in Deutschland und der Errichtung einer deutschen
sozialistischen Republik, - dies aber auch nicht im Sinne einer nationalen Zuge¬
hörigkeit zu Deutschland, sondern im Geiste eines Anschlusses an den internatio¬
nalen Sozialismus. Demgemäß lautete das Nahziel: Schaffung einer Arbeiterregie¬
rung für das Saarland. Im Sommer 1934 erfolgte zwar auf Ortsebene die Aufnah¬
me der SSP in die Einheitsfront, eine landespolitische Anerkennung blieb ihr je¬
doch versagt.
Die SPD/Saar hatte vor 1933 eine durchaus nationale Politik im Rahmen einer
deutsch-französischen Verständigung betrieben; diese Versöhnungspolitik hatte ihr
aber oft genug den Vorwurf nationaler Unzuverlässigkeit eingebracht. Gegenüber
dem Nationalsozialismus konnte sie nach der Machtergreifung Hitlers im Gegen¬
satz zu ihrer Mutterpartei weit offenherziger agieren, was besonders in der Arti¬
keln der "Volksstimme” spürbar wurde; deshalb wurde die "Volksstimme" im Fe¬
bruar 1933 auch für das gesamte Reichsgebiet verboten. Auf diesen Umstand be¬
zog sich Hitler, als er in der Reichstagssitzung vom 23. März 19336, in der das
Ermächtigungsgesetz verabschiedet wurde, gegenüber dem Vorsitzenden der SPD,
Otto Wels, der "Volksstimme" Landesverrat vorwarf, wobei er ganz bewußt die
Angriffe der Sozialdemokraten auf den Nationalsozialismus als Angriff auf
Deutschland ansah. In der Erklärung vom 8. April 1933 in der "Volksstimme",
"daß die Sozialdemokratische Partei des Saargebietes wie in der Vergangenheit
auch in der Zukunft für die restlose Rückgliederung des Saargebietes an Deutsch¬
land"7 eintrete, versuchte die SPD/S ihren bisherigen Standpunkt nochmals zu
präzisieren. Die letzte Rücksichtnahme auf die Belange der SPD im Reich fiel
nach dem Parteienverbot im Reich vom 22. Juni 1933. Hatte der Parteivorstand der
SPD bis dahin die SPD/S von einer Umstellung der Politik an der Saar abgehal¬
ten8, um einem Parteienverbot durch die Nationalsozialisten entgegenzuwirken, so
fiel diese Hemmschwelle mm weg.
Ähnliche Verhältnisse finden wir bei den freien Gewerkschaften, die noch auf der
Jahreskonferenz des ADGB des Saargebietes vom 14. April 1933 beteuerten, "daß
das Saargebiet als urdeutsches Land ungeschmälert in die deutsche Volksgemein¬
schaft zurückkommen"9 müsse, und die den Wunsch äußerten, "daß den Be¬
Vereinigung Saarlouis, der Verband der Saarbergleute, die Unabhängige Bürger- und Arbeiterpartei, die
Bauernschaft, die EItemvereinigung der Domanialschulen, die frankophile Presse, der Besab
(Berufeverband der saarl, Bergbauangestellten), eine Gruppe der Ingenieure der franz. Saar gruben. LA
Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.416 II, Bl. 395, s. auch 394. Zum ges. Spektrum der frankophilen
Gruppen s. P. Lempert, "Das Saarland den Saarländern!", S. 123-409.
^ Redeauszug bei E. Kunkel, Die Sozialdemokratische Partei, S. 78 (Reichstagsdmcksache, 2. Sitzung v.
23.3.1933, S. 35).
7 "Volksstimme" v. 8.4.1933.
8 E. Kunkel, Die Sozialdemokratische Partei, S. 78.
9 "Volksstimme" v. 18.4.1933.
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