Full text: NS-Politik an der Saar unter Josef Bürckel

kannte: "Es war der große Irrtum von Versailles zu glauben, eine Bevölkerung von 
so lebendigem Heimatgefühl und von so wachem Nationalgefühl könne überfrem¬ 
det und innerlich verwandelt werden. Es war der große Irrtum von Genf und der 
von dort Beauftragten zu glauben, man könne Heimat und Nationalgefühl durch 
die Fiktion einer Neutralität ersetzen oder wenigstens durch eine angebliche Ver¬ 
pflichtung zu solch fiktiver Neutralität einengen und gar zum Schweigen brin¬ 
gen."180 Doch bei allem echten oder zur Schau gestellten Patriotismus muß festge¬ 
halten werden, daß das Eintreten für die Rückkehr zu Deutschland nicht automa¬ 
tisch mit der Bejahung des Nazi-Regimes und all seiner Verbrechen glcichzuset- 
zen war, - eine Haltung, die von den Reichspotentaten zwar gerne gesehen und 
dementsprechend gedeutet wurde, letztlich aber nicht zutraf181. Doch taugt diese 
Einstellung bis zum heutigen Tage nicht als Entschuldigung. 
5.2. Die mittelbaren Einwirkungen aus dem Reich 
Ein nicht zu übersehender Faktor bei dem für Hitler-Deutschland so überwältigen¬ 
den Abstimmungsergebnis ist in den Einwirkungen auf die Saarverhältnisse von 
Reichsseite aus zu sehen, die nach der Errichtung des Sonderregimes im Saarge¬ 
biet nie ganz abgerissen waren und sich in der Zeit vor der Abstimmung gewaltig 
verstärkten. Sie wurden nach der nationalsozialistischen Machtübernahme im 
Reich mehr oder minder offen geführt1 und sind als eine vom Reich "vorwegge¬ 
nommene Gleichschaltung" zu verstehen. 
Trotz Errichtung des Sonderregimes nach Versailles bestanden die Bindungen der 
saarländischen Parteien an ihre Mutterparteien nach wie vor; die anfänglichen 
Versuche der Reko zur Unterbindung dieser Bestrebungen wurden erst allmählich 
aufgegeben. Demnach sprachen führende deutsche Zentrumspolitiker auf Kundge¬ 
bungen an der Saar bzw. gehörten Steegmann und Kuhnen dem Vorstand der 
Preußischen Zentrumspartei an; solche Bindungen dürfen bei der Bildung der 
Deutschen Front nicht unterschätzt werden. Dr. Hermann Röchling von der DSVP 
genoß im Reich große Sympathie; darüber hinaus waren Röchlings Kontakte zu 
angelsächsischen Partei- und Wirtschaftsgrößen als Werbung für das Saarproblem 
nicht zu übersehen, wobei als Mittler für Reichsangelegenheitcn nicht zuletzt sein 
1 
S.Z. Nr. 4 v. 5.1.1935 (2. Abstirrunungsnummer). 
181 Vgl. H. Schneider, Das Wunder, S. 30. 
1 Rede Goebbels anläßlich der Berliner Saarausstellung: S.Z. Nr. 6 v. 7.1.1935: "Wenn am 13. Januar 
die Deutschen an der Saar ihre Stimme für die Rückkehr zum Vaterlande in die Wahlurne gelegt haben, 
gibt es nach dem Willen des Führers zwischen Deutschland und Frankreich keinen territorialen Gegen¬ 
satz mehr." Daß die Einwirkung aus dem Reich 1932 nicht erwünscht war, belegt z.B. die Ablehnung 
der Bildung von Aktionsausschüssen ("unbequem"). LA Speyer, Best. Bez.Amt Kusel, Nr. 1.416 II, Bl. 
290 (v. 12.10.1932). Befürwortet werden von Binder (an das Präsidium der Reg. der Pfalz) der Wirt¬ 
schaft!., persönl.. sportl., künstlerische und religiöse Kontakt zum Saarland; hauptsächlich in den 
Grenzregionen, was auch größtenteils geschah und vor der Abstimmung noch verstärkt wurde. Sehr. v. 
3.2.1932, ebd. 
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