Kirche und Staat (Pfarrer Otto Wehr in Alt-Saarbrücken), ausgelöst durch die
Vorgänge in Mecklenburg, erwuchs seit Frühjahr 1933 eine sich auf das Bekennt¬
nis berufende Opposition, so daß sich am Tage der im Reich stattfindenden Kir¬
chenwahlen (23.Juli 1933) die Pfarrer der Saarbrücker Synode in der Saarbrücker
Zeitung deutlich von den Deutschen Christen distanzierten, ohne damit allerdings
gegen den Nationalsozialismus Stellung beziehen zu wollen. Von 29 Pfarrern der
Synode Unterzeichneten 24 einen Aufruf, darunter Hubert Nold (Superintendent
von Saarbrücken), Otto Wehr (Alt-Saarbrücken) und Philipp Bleek (Malstatt) in
der S.Z., der mit der Losung der Gegner der DC im Reich, "Für Evangelium und
Kirche im Deutschen Volk", endete. Die Pfarrer der Synode St. Johann unter Su¬
perintendent Karl Imig bezogen öffentlich keine eindeutig ablehnende Haltung ge¬
gen die DC.
Noch unterschied der stellvertretende Superintendent von Saarbrücken zwischen
den im Saargebiet (Mitte Juli) schwebenden kirchlichen Auseinandersetzungen für
die politische Einheit an der Saar und den seitens des Ministeriums wiederholt
versuchten Einigungsversuchen und deren Ablehnung von pfarramtlichen Kreisen.
Keineswegs wollte er irgendwelche Auswirkungen des Kirchenkampfes im Reich
auf die Abstimmungshaltung der Saargläubigen gelten lassen, zumal die kirchli¬
chen Kämpfe in das Saargebiet durch niemand anderen als durch die Deutschen
Christen hineingetragen worden seien; die DC hätten schließlich die Gemeinde an
der Saar zerrissen, der Nationalsozialismus habe es nicht getan und tue es nicht.
Durch die kirchlichen Kämpfe werde kein Evangelischer im Saargebiet vaterlän¬
disch erschüttert; im Gegenteil, die eindeutig vaterländische Haltung der kirchlich
bekämpften evangelischen Pfarrer wirke um so stärker. Das sei den politische Füh¬
rern an der Saar auch wohl bewußt: "Es könnte nur dann von einer Schädigung
der politischen Einheit durch diesen kirchlichen Kampf geredet werden, wenn die
Gleichung zu Recht bestünde: Nationalsozialismus = Deutsche Christen; das ist
aber angesichts der wirklichen Tatbestände eine Unmöglichkeit."168
Es ist allerdings fraglich, ob diese Trennung in der Praxis gelang. So drohten die
DC des Kirchenkreises Köln doch schon im Juni 1933 in einer Lagebeurteilung zu
den Saarverhältnissen: "In unserem Nachbargau Saargebiet haben die uns ange¬
schlossenen Pfarrer sehr stark unter der Verfolgung ihrer evangelischen Pfarrer¬
kollegen zu leiden. Man hat sich sogar erdreistet, unseren Pfarrern zu drohen.
Wenn sie von der Glaubensbewegung nicht abließen, würde man sie zwingen, den
Talar auszuziehen. Es ist stark zu vermuten, daß sich diese deutschen evangeli¬
schen Pfarrer zur Bekämpfung der Glaubensbewegung hinter die Saarregierung
und die Franzosen stecken. Die Abrechnung kommt auch hier - diese vaterlandslo¬
sen Gesellen wird ihr Schicksal bestimmt im Jahr 1935 ereilen. Einige dieser sau¬
beren Seelsorger, die nach der Abstimmung 1935 nicht nur eine Tracht Prügel er¬
halten werden, möchten wir hier schon nennen, damit sie nicht der Vergessenheit
1 iTO
100 Stellungnahme evangelischer Pfarrer zur Tätigkeit der Deutschen Christen und der Haltung des Preußi¬
schen Kultusministeriums v. 19.7.1934. BA Koblenz, Best. Alte Reichskanzlei, R 431/255.
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