Full text: Migration und Urbanisierung

an Industriewerken erworben oder eigene Werke gegründet hatten.4 Bereits in den 1850er 
und 1860er Jahren interessierten sich saarländische Industrielle für die luxemburgischen 
und lothringischen Minette-Vorkommen. Neben dem Luxemburger Unternehmen Metz 
& Co. investierte auch die Firma Stumm in die Escher Erzgruben und erwarb zudem 
eine Minenkonzession im französischen Montet. Im Gegenzug gründeten luxemburgisch¬ 
belgische Kapitalgeber die Burbacher Hütte bei Saarbrücken und die Betreibergesellschaft 
der Forges de Sarrebruck, die - wie bereits erwähnt - auch in industrielle 
Unternehmungen in Luxemburg selbst involviert war, eröffnete zusätzlich eine Erzmine 
bei Maxéville. Die Saarbrücker Kaufmannsfamilien Haldy und Röchling waren ab 1856 
Hauptaktionäre einer Eisenhütte im lothringischen Pont-ä-Mousson. Das Saarbrücker 
Unternehmen Karcher & Westermann ließ sich in Ars-sur- Mosel le nahe Metz nieder. 
Die unternehmerische Verflechtung der Region setzte sich auch über den deutsch- 
französischen Konflikt von 1870/71 und die Annexion des Reichslandes hinaus fort. Diese 
Ereignisse bedeuteten einerseits eine Erleichterung, andererseits aber auch eine 
Behinderung für die wirtschaftliche Betätigung der Industrieunternehmen im Grenzraum. 
Hindernisse zur Ansiedlung von Saaruntemehmen im jetzigen Deutsch-Lothringen waren 
damit zwar ausgeräumt worden, das Engagement dieser Firmen in den bei Frankreich 
verbliebenen lothringischen Industriezonen um Longwy und Briey sowie in der Nähe 
von Nancy wurde staatlicherseits jedoch ebenso ungern gesehen wie auf der anderen Seite 
der Grenze die fortgesetzten Aktivitäten der französischen Firma de Wendel im 
Reichsland. Dennoch wahrten Haldy und Röchling ihren Einfluß in Pont-ä-Mousson, 
die Stumm-Gruppe erwarb 1876 sogar neue Erzkonzessionen in der Nähe von Longwy 
und de Wendel intensivierte seine Untemehmenspolitik im lothringischen Kohlebecken 
an der preußischen Grenze sowie im Ome- und Fentschtal (vallée de l'Orne; vallée de 
la Fentsch bzw. Fontoy) bei Diedenhofen. Mit der Einführung des Thomas-Verfahrens 
kam es ab den 1880er Jahren zu weiteren Hüttengründungen in unmittelbarer 
Nachbarschaft der Erzlagerstätten. De Wendel gründete 1881 ein Tochterwerk in 
Hayingen (Hayange) und gab den Anstoß zur rasanten industriellen Entwicklung des 
Fentschtales, wo z.B. in Algringen (Algrange) und Kneutingen (Knutange) sukzessive 
neue Industrieanlagen entstanden, und wo das Haus de Wendel maßgeblichen 
wirtschaftlichen und politischen Einfluß besaß. Die Dillinger Hütte baute 1886 in 
Redingen (Rédange) ein Zweigwerk, die Firma Stumm 1891 in Ueckingen (Uckange) 
und Röchling 1898 die "Karlshütte" bei Diedenhofen. Das im rheinpfälzisch-bayerischen 
St.Ingbert beheimatete Unternehmen der Gebrüder Krämer fusionierte 1905 mit der 
luxemburgischen Hochofengesellschaft von Rümelingen, die wiederum im lothringischen 
4 Vgl. im folgenden Kloevekom, Eisenhüttenwesen; Roth, Prussiens; Thomes, Wirtschaftliche 
Verflechtungen. 
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