B. Die Rahmenbedingungen der Stadtentwicklung von
Malstatt-Burbach, Diedenhofen und Esch-an-der-Alzette
IM 19. UND FRÜHEN 20. JAHRHUNDERT
Das Jahr 1850:
In unmittelbarer Nachbarschaft der beiden südlichsten Städte der preußischen Rhein¬
provinz, Saarbrücken und St.Johann, liegen die beiden Dörfer Malstatt und Burbach.
Die Dörfer sind Mitglieder des Bürgermeistereiverbands Saarbrücken, der seine Vcr-
waltungsaufgaben in Malstatt in Person eines Gemeindevorstehers sowie je eines
Ortsvorstehers in Burbach und im Ortsteil Rußhütte wahmimmt. Die Dörfer zählen
zusammen ungefähr 2.400 Einwohner, die vornehmlich in der agrarischen Lebenswelt
verwurzelt sind. Daneben bieten die Dörfer einigen Kleinhandwerkem ein Auskommen.
Bauern- und Wochenmärkte bestimmen den örtlichen Handel. Es existieren einige
Mühlen und Ziegeleien. Im näheren Umkreis bestehen unter staatlicher Regie eine Anzahl
von Steinkohlengruben. Den Steinkohlenbergbau auf dem eigenen Bann, der hier von
der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1820er Jahre in bescheidenem Maßstab betrieben
worden ist, gibt es allerdings nicht mehr. Die Glasproduktion wurde bereits vor über 100
Jahren eingestellt. Der landwirtschaftliche Rhythmus von Aussaat und Ernte prägt den
Alltag in Malstatt und Burbach. Für die ärmeren Bevölkerungsteile des Realteilungs¬
gebietes besteht häufig in der Emigration die einzige Zukunftsperspektive.
Ein sehr ähnliches Bild bietet sich in Esch-an-der-Alzette, der luxemburgischen
Gemeinde, dicht an der französisch-lothringischen Grenze, etwa 20 Kilometer südlich
der Hauptstadt Luxemburg gelegen. Die meisten der wenig mehr als 2.000 Einwohner
sind Kleinbauern, die sich ihr schmales Einkommen durch Nebentätigkeiten als Steinhauer
oder Ziegler aufbessem. Die wesentlichen traditionellen Handwerkerberufe, so z.B.
Schreiner, Schuster, Schneider, Schmiede und Zimmerleute, sind in der Gemeinde
vertreten. Daneben besitzt der Ort seit dem Jahre 1841 bescheidene Administrativfunktio¬
nen, da er im Zuge der Verwaltungsreform nach der luxemburgischen Unabhängigkeit
von den Niederlanden (1839) zum administrativen Mittelpunkt eines eigenen Kantons
erhoben worden ist. Vor einigen Jahren wurden zwar die in früheren Jahrhunderten
genutzten Eisenerzvorkommen im Süden des Großheizogtums "wiederentdeckt". Der
Erzbergbau spielt zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Rolle im Wirtschaftsleben der
Gemeinde. Die Gegend besitzt einen bäuerlichen Charakter, die Bevölkerung ist vielfach
arm und Auswanderungen nach Amerika - wie schon 100 Jahre zuvor nach Osteuropa
(Banat, Rußland) - sind keine Seltenheit.
Thionville, dessen Militäranlagen im 18. Jahrhundert dazu ausgebaut worden waren, im
ostfranzösischen Festungsgürtel Metz-Verdun-Sedan den nordlothringischen Moselüber¬
gang zwischen Metz und Luxemburg zu verteidigen, besitzt demgegenüber zum gleichen
26