GBG verharrten jedoch im Vertrauen auf die innerstädtischen Wohnungsbaumaßnahmen
der Eisenhütte, der Königlichen Eisenbahnverwaltung, des staatlichen Hafenamtes sowie
der St.Johanner Baugenossenschaft (!) in Tatenlosigkeit. Als der Bürgermeister im glei¬
chen Zeitraum anfragte, ob die Stadt über Räumlichkeiten verfüge, um obdachlosen
Arbeiterfamilien angesichts der Wohnungsmisere zeitweilig Unterkunft zu gewähren,
urteilte der Stadtbaumeister, "daß Räumlichkeiten nicht vorhanden sind, sondern erst
geschaffen werden müßten durch Neubau. Es ist gefährlich diese Leute, die zu den
schlechtesten Zahlern, oder zu den Familien mit einer reich gesegneten Kinderzahl
gehören, in städtischen Häusern unterzubringen, da man sie nachher nicht wieder los
wird".167 Die Anschaffung und Verteilung von durch die Straßburger Woh¬
nungskommission ausgearbeiteten Ratschlägen für gesundes Wohnen lehnte er mit den
Worten ab: "Die Ratschläge treffen durchaus zu, ob aber eine Besserung im gesunden
Wohnen eintritt, wenn diese Ratschläge an Schüler verteilt oder sonst ausgegeben werden,
dürfte doch auch fraglich sein."168 Und die Wohnungsbesichtigungen des Jahres 1905
kommentierte jener damit, daß die meisten in Ordnung und nur wenige zu beanstanden
wären sowie über geltendes Recht eine ausreichende Handhabe zur eventuellen Räumung
und Instandsetzung gegeben sei.169
Aus einer anderen Sicht der Dinge heraus formierte sich im Jahre 1908 ein Mieterverein
für die drei Saarstädte, denn man war der Ansicht: "Bei den häufigen Ortswechseln in
dieser modernen Völkerwanderung ist für den größten Teil der in Industrie, Handwerk,
Handel und anderen Berufsarten beschäftigten Volksgenossen aller Stände kein anderes
Wohnen möglich als das Wohnen zur Miete, und mit jedem Jahre nimmt die Zahl der
Mieter im Verhältnis zu der Zahl der Hausbesitzer zu. (...) Die Mietverhältnisse der zur
Miete wohnenden Bevölkerung entsprechen im großen und ganzen nicht den sozialen
Anforderungen unserer Zeit."170 Hieraus spricht eine realistischere Einschätzung der
Wohnungslage. Denn bereits eine stichprobenartige Wohnungsbesichtigung im Jahre 1904
hatte katastrophale Zustände offenbart, welche die Stadtverwaltung allerdings nicht wahr¬
haben wollte. So bezeichnete man den "allgemeinen Eindruck", welchen man von einem
Haus in der Wallenbaumstraße gewonnen hatte, als "ziemlich gut", wobei folgende
Verhältnisse angetroffen worden waren: 1.) Die Hausbesitzerfamilie verteilte sich mit
zehn Kindern bei einer Gesamtfläche von 58 Quadratmetern auf ein Ladenlokal, ein Zim-
167 Vgl. StadtA Sb, MB 378: der Stadtbauineister von Malstatt-Burbach an den Bürgermeister
v. 20Juni 1905 auf Anfrage v. 19Juni 1905.
168 Vgl. ebda.: Notiz des Stadtbaumeisters v. 6.August 1906 zu einem Verlagsangebot aus
Straßburg.
169 Vgl. StadtA Sb, MB 420: Notiz des Stadtbaumeisters v. 21.September 1905.
170 Vgl. StadtA Sb, MB 373 mit einem Ausriß aus der Neuen Saarbrücker Zeitung v. 24.Juli 1908.
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