1) Das "Bürgerviertel11: St.Johanner- und östliche Breitestraße
Der östliche, unmittelbar im alten Malstatter Ortskem gelegene Teil der Breitestraße
sowie die St.Johanner Straße, welche den Stadtbezirk Malstatt mit dem auf St.Johanner
Bann situierten Hauptbahnhof der drei Saarstädte verband, besaßen besondere Attraktivität
für bürgerliche Zuzügler.
In Malstatt-Burbach bildete sich aber nicht wie etwa an den malerischen Hängen des
Triller oder des Petersberges auf der Saarbrücker Saarseite ein geschlossenes bürgerliches
Wohnviertel aus. Das "Bürgerviertel" der Hüttenstadt trug vielmehr den Charakter einer
- wenngleich repräsentativen - Verkehrsachse. So blieben diese beiden Straßenzüge auch
keineswegs ausschließlich Freiberuflern, höheren Beamten sowie Angestellten und
Kaufleuten Vorbehalten. "Bürgerlich" für Malstatt-Burbacher Verhältnisse hieß: nicht
mehr als ein Fünftel der Zuzügler zählte zur Arbeiterschaft und immerhin ein Viertel
ging einer Beschäftigung als leitende bzw. mittlere Angestellte, selbständige Kaufleute,
Handwerksmeister oder Freiberufler (Apotheker, Arzt, Notar u.ä.) nach. Dazu kam eine
außerordentlich hohe Zahl an Dienstbotenpersonal (ungefähr 15 Prozent), welches zumeist
im Haushalt des Arbeitgebers logierte.10
Falls Angehörige der häufig auswärtigen Verwaltungselite überhaupt in der Saarhütten¬
stadt wohnten, dann war es hier. Der Anteil der Saarländer war vergleichsweise gering
(55 Prozent), der Anteil der Protestanten beachtlich (40 Prozent) und die im Ortsvergleich
größte jüdische Minorität (3 Prozent) bezog hier ihren Wohnsitz. Und auch dies ist in
schichtenspezifischer Hinsicht bezeichnend: Die relative Zahl der Kinder hielt sich
auffallenderweise in sehr engen Grenzen. Kaum ein Viertel der sich hier niederlassenden
Anzügler war jünger als 17 Jahre, während die Kinderrate in allen anderen Stadtteilen
bei deutlich über einem Drittel lag.
Leitendes Fachpersonal von außerhalb der Rheinprovinz, sei es aus Westdeutschland
(Westfalen, Hessen), sei es aus Nord-, Mittel- oder Ostdeutschland, die zusammen
mindestens 20 Prozent der Neubewohner stellten, wohnte offenbar vorzugsweise in dieser
äußersten Ostecke der Stadt. Das Überwechseln in das aufgrund seines reichhaltigen
Kulturangebots reizvollere Saarbrücken, wo zudem diverse übergeordnete Verwaltungs¬
stellen angesiedelt waren, konnte über die Malstatter Brücke (ab 1899 sogar mit der Stra¬
ßenbahn) leicht bewerkstelligt werden. Der Weg zum Hauptbahnhof als zentraler Perso¬
nenbeförderungsstation war nicht weit und die St.Johanner Straße bildete mit der Brei¬
testraße in gewissem Sinne eine Fortsetzung der repräsentativen Einkaufsmeile der Han-
10 Die restlichen Prozentpunkte entfielen auf denjenigen Personenkreis, der keiner eigenen
Berufstätigkeit nachging, d.h. in erster Linie Kinder sowie solche Ankömmlinge, die - aus
welchen Gründen auch immer - keine Berufsangabe machten.
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