aufgewertet wurde der Wanderungsaustausch zwischen Industriestandorten, Bestand hatte
der Zuzug von Arbeitskräften aus strukturell stark benachteiligten agrarisch-pro-
toindustriellen Gebieten, die auf eine auswärtige Beschäftigung angewiesen waren und
sich gezwungen sahen, auch noch der geringsten Anstellungschance in der krisengeschüt¬
telten Saarindustrie nachzugehen.
3.2.2 Diedenhofen110
Vergleichbar den Migrationsverhältnissen in Malstatt-Burbach bildete die eigene,
lothringische Landschaft das Haupteinzugsgebiet Diedenhofens. (Tab.29) Gesamtdurch¬
schnittlich mehr als 60 von 100 Zuzüglern (61,4%) kamen aus lothringischen Kreisen
in die Gamisonstadt. Wie die Saarkreise bezüglich der Saarhüttenstadt erfuhr auch Loth¬
ringen im Laufe des Untersuchungszeitraums gegenüber anderen Regionen einen relativen
Bedeutungsverlust im Wanderungsgeschehen mit Diedenhofen. Hauptsächlich Ein¬
wanderer aus den preußischen Saarkreisen, aus Südeuropa, vornehmlich aus Italien, sowie
West- und Nordeuropa, in erster Linie aus Frankreich, gewannen zugleich anteilsmäßig
gegenüber den Lothringern an Gewicht. Die stärksten nicht-lothringischen Zuzugskontin-
gente stellten die preußischen Saarkreise (7,8%), gefolgt von Südeuropa (5,5%), obwohl
die Italiener hier in den 1890er Jahren wesentlich zaghafter Fuß faßten als in Malstatt-
Burbach, dafür aber nach 1900 eminent stark in die Hüttenstadt an der Mosel drängten.
Das kleine Luxemburg trug, gemessen an seiner territorialen Ausdehnung, beträchtlich
zum Diedenhofener Wanderungsumschlag bei (5,4% des Zuzuges). Daneben fanden sich
Immigranten aus Westdeutschland erstaunlich zahlreich ein (4,6%), von denen fast drei
Viertel (3,1%) die rheinisch-westfälische Industrieregion als letzten Aufenthalt in
Anspruch genommen hatten. Es überrascht ein wenig, daß der Zuzug aus dem Ruhrgebiet
(und dessen Hinterland) prozentual in den 1880er Jahren (Phase B) am stärksten war,
als von Industrialisierung in Diedenhofen noch nicht die Rede sein konnte, und sich
anteilsmäßig in den beiden folgenden Zeitabschnitten deutlich reduzierte, als sich die
ersten Industriebetriebe ansiedelten.111
Aufschlußreich ist der relativ verhaltene Zustrom aus dem Elsaß (3,4%), der Pfalz (1,5%)
und dem Hunsrück (2,3%). Elsaß-Lothringen bildete zwar eine verwaltungsmäßige
Einheit, einen geschlossenen sprachlichen Komplex allerdings durch die Differenz zwi-
110 Zur Landschaftseinteüung in Tab.29 vgl. Anhang B3. Der Rang in Tab.29 bezeichnet den
Stellenwert der Zuwanderung aus einer bzw. der Abwanderung in eine Landschaft oder ein
Staatsgebiet bezüglich der gesamten Untersuchungsperiode.
111 Subtrahiert man die hessischen Immigrationsanteile von den westdeutschen Kontingenten, so
machte die Zuwanderung aus dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet in Phase B 4,4 Prozent,
in Phase C 2,9 Prozent und in Phase D 2,8 Prozent des Gesamtzuzugs aus.
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