Allerdings ist in der Metropole des südluxemburgischen bassin minier mit ihrer längeren
bergbaulich-industriellen Tradition schon früher als in der jungen Industriegemeinde
Malstatt-Burbach über den Indikator der Berufsbezeichnungen ein dezidierter Bedeu¬
tungsverlust des agrarischen Sektors zu konstatieren.
Dieses Bild wird durch den Befund in Diedenhofen kontrastiert. Agrarische Berufe
blieben unter den Immigranten bis ans Ende des Untersuchungszeitraums von erheblicher
Bedeutung, selbst unter dem Gesichtspunkt eines Anteilsverlustes von 12,5 Pro¬
zentpunkten von Phase B (1883-1889), in der über fast ein Viertel der Zuwanderer land¬
wirtschaftliche Berufsangaben vorliegen, nach Phase D (1901-1909) mit immerhin noch
über 10 Prozent (10,8 %) ruralen Arbeitskräften. Der Gewerbebereich war im Gegensatz
zu den beiden Vergleichsgemeinden durch wachsende Anteilswerte gekennzeichnet. Das
relative Maximum des Dienstleistungsanteils an der Zuwanderung lag hier mit 24 Prozent
in Phase C (1890-1900), zeichnete sich aber auch noch in Phase D (1901-1909) durch
einen höheren Wert (20,5 %) als in der ersten Zeitkohorte (1883-1889) aus, in welcher
- also bereits vor der eigentlichen Industrialisierung der nordlothringischen Kommune
- mit 16,5 Prozent Dienstleistungsberufen ein im Vergleich zu Malstatt-Burbach oder
Esch enorm hohes Niveau erreicht war. Ursache dieser Differenz ist die Tatsache, daß
Diedenhofen bereits seit langem ein städtisches Gemeinwesen bildete, und zwar das
Wirtschafts- und Verwaltungszentrum Nordlothrigens, während aus den kleinen Bauern¬
dörfern Malstatt-Burbach und Esch erst mit der Industrialisierung Kommunen mit ur-
banem Charakter erwuchsen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Faktor Militär,
der im Falle des Bezugs von Privatquartieren durch Offiziere, Unteroffiziere oder Sol¬
daten in den Melderegistern der Gamisonsstadt zu Buche schlug, wenngleich mit
quantitativ abnehmender Tendenz.63 Es ist augenfällig, daß Diedenhofen in der
abschließenden Phase D (1901-1909) in der ökonomischen Zusammensetzung seiner
Zuwandererschaft durchaus über vergleichbare Strukturen verfügte wie die Malstatt-
Burbacher Zuzügler (1901-1909) oder die Escher Bevölkerung (1900): näherungsweise
zwei Drittel der Ankömmlinge rekrutierten sich aus gewerblichen Berufen (62,5 %), etwa
ein Fünftel (20,5 %) entstammten dem Dienstleistungssektor und an dritter Stelle
rangierten die landwirtschaftlichen Berufe (10,8 %), bei zugleich untergeordneter Rolle
des Militärs (0,6 %). Grundlegend ist für Diedenhofen jedoch, daß relativ verspätet ein
Transformationsvorgang Raum gegriffen hatte, in welchem die Kleinstadt ihren agrarisch-
militärischen Charakter verlor und in ein expansives, industriell geprägtes urbanes Ge¬
meinwesen einmündete, in dem die agrarische und die militärische Komponente weiterhin
eine begrenzte Wirksamkeit behielten.
63 Der Zuzug von Müitärangehörigen wurde nur dann in den kommunalen Melderegistem
festgehalten, falls diese außerhalb der Kasernen in Privatwohnungen Quartier bezogen. Das Militär
büdete so gesehen eine unabhängige Gemeinde innerhalb der Stadtgemeinde.
106