Hec de vita et virtutibus opinatissimi confessoris Christi Adalberti Medelocensis cenobii
excudere cucullarii iubente serenissimo eiusdem monasterii domino. . . 123
Der geneigte Leser möge ihr Werk gnädig beurteilen: . . . nec arguat eos temeritatis. . .
Diesen Passagen folgen ferner scribentium tenuitas und dictantium . . . ingenium, wäh¬
rend sich die Singularform Discat ergo legentis animus scribentis imperitie compati mit
der gebotenen Rücksicht auf den Satzkontext deuten läßt. Besonders auffallend ist die the¬
matische wie formale Sonderstellung des (Doppel)-Kapitels 26/27. Weit ausholend, gera¬
dezu umständlich wird darin erzählt, wie zwei Brüder in transmarinis partibus von einem
habgierigen Onkel um ihren Besitz betrogen werden und sich gegen ihn verschwören. Es
kommt zu einem regelrechten Krieg zwischen den Parteien, bei dem die beiden ihren
Onkel erschlagen. Der zuständige Diözesanbischof trägt ihnen zur Buße auf, eiserne
Ketten um Arm und Brust zu tragen. Nachdem sie mehrere loca sanctorum aufgesucht
haben, erlöst zunächst die heilige Gertrud von Nivelles124 den einen Bruder von seiner
Last, ehe dem anderen am Grabe des heiligen Adalbert Erlösung zuteil wird, - ein Beispiel
für die gelungene Kooperation zweier Heiliger. In dieser Episode ist das Vorbild für die
Schlußzeilen der Miracula S. Liutwini zu sehen. Die frappierenden Unterschiede in Voka¬
bular und Syntax zu den vorangehenden Kapiteln der Adalbertsvita lassen Vis mit Recht
einen „Anonymus Mediolacensis“ als Redakteur der Arbeit Ruoperts annehmen.125
Läßt sich dieser zweite Mettlacher identifizieren? Aus dem einzigen, zudem umstrittenen
Statius-Zitat in der Vita Adalberti126 auf eine Beteiligung des Remigius von Mettlach
schließen zu wollen, ist problematisch. Dessen Vertrautheit mit der Achilleis, die sich aus
dem Briefwechsel mit Gerbert ergibt, ist gesichert, doch der einzig legitime Schluß ist hier,
daß auch seinem Mitschüler Ruopert dieser lateinische Schulautor geläufig war. In diesem
Zusammenhang ist auf das immer noch ungelöste Forschungsproblem des Egmonder
Evangeliars127 hinzuweisen, dessen Hauptteil in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts
entstanden ist. Die beiden letzten Miniaturen dieser Handschrift zeigen das holländische
Grafenpaar Dietrich II. und Hildegard, wie es einmal den heiligen Adalbert um Fürbitte
ersucht und dann das vollendete Evangeliar auf den Altar der Abteikirche legt. Beide mit
Begleitversen versehenen Miniaturen sind nach überwiegender Meinung der Forschung
dem Evangeliar um 975 hinzugefügt worden, ihre künstlerische Provenienz bleibt unklar.
Bereits die beiden grundlegenden älteren Publikationen von Séjourné und Brennink-
meyer-de Rooy gelangten zu auf den ersten Blick einander abschließenden Ergebnissen,
123 Holder-Egger, S. 699, zitiert diese Stelle, meint aber dann recht apodiktisch: „. . .sed quin uni
auctori potissimum hoc opusculum attribuendum sit, vix ac ne vix quidem dubito.“
124 Sie verfügte über einschlägige Erfahrung in Kettenbefreiungen, vgl. De virtutibus S. Geretrudis,
^ cap. 8-9, MGH SS rer. Mer. II, S. 468f.
125 hierzu ausführlich Vis-Edition, S. 23-26; als Beispiel seien hier genannt die Vorliebe des An¬
onymus für asyndetische Konstruktionen, Wahl der 1. Person Singular anstelle der sonst durch¬
gängig verwendeten Pluralform, anderer Satzrhythmus, häufige Verwendung von Metonymen
u.a. Ruopert selbst, der gelegentlich schon zweisilbigen Reim einsetzt, muß hohes formales
Können attestiert werden, vgl. Polheim, Reimprosa, S. 397
6 Vita Adalberti, cap. 12: tantis cumulatur acervis; Statius, Thebais,10,655: exanimes circum cu¬
mulantur acervi; vgl. Vis-Edition, S. 19
Königl. Bibi. ’s-Gravenhage76 FI, v. a. f. 214v u. 215; Abbildung (mit Zitierung der Begieitverse)
u.a. bei Cordfunke, Opgravingen, S. 21-23
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