Widmungsbrief zu ersterer Schrift36 eine deutliche Spitze gegen Gerberts vorwiegend
mathematische Studien zu erkennen, was den Reimser Kontext nur bestätigte. Die wieder¬
holten Bezüge dieses Gozbert zu westfränkischen beziehungsweise italienischen Verhält¬
nissen lassen freilich eher an Gautbert von Fleury denken, der ebenfalls als wohlbewan¬
dert in den freien Künsten galt.37
Die Lösung des Gausbert-Problems ist jedoch in den künstlerischen Beziehungen zwi¬
schen Reims und Trier zu suchen. Ausgangspunkt ist hierbei ein aus Erz gegossener
Brunnen in St. Maximin zu Trier, der 1674 von den Franzosen zerstört wurde. Wir be¬
sitzen aber eine Zeichnung dieses Brunnens von der Hand Alexander Wiltheims38, die sehr
schön die Inschrift „FRATER GOZBERTUS“ für den Namen des Gießers zeigt und einen
Abt FOLCARDUS als Stifter des großartigen Werkes nennt. Letzterer wird noch als
„VITAE SECTATOR VIRTUTUM VERUS AMATOR“ charakterisiert. Datierung und
kunsthistorische Einordnung des sogenannten Folcardus-Brunnens haben die Kunstge¬
schichte wiederholt beschäftigt.39 Kentenich hat hierzu in seiner Miszelle „Gozbertus mo-
nachus“ auf die Inschrift des heute im Trierer Domschatz befindlichen Rauchfasses ver¬
wiesen (Haec tu quiso videns, Gozbertus sit, pete, vivensJ40 und den Gozbert der Reimser
Briefe als Schöpfer beider Werke angesehen. Den Abt Folcardus identifizierte er mit dem
Abt von St. Maximin Folcmarus, der von 987-996 amtierte.41 Kaum ein Jahr später
vollzog er eine radikale Schwenkung und postulierte nunmehr den Sitz der berühmten
Kunstschule Erzbischof Egberts in Mettlach42: Der Auftraggeber Gozberts sei Abt Fol-
coldus von Mettlach gewesen43, der Brunnen folglich sei erst um 1055 (!) von demselben
- nunmehr etwa neunzigjährigen - Künstler geschaffen worden, der einst als junger Mann
in Reims weilte. . .
Kentenichs These ist in dieser Form auf einhellige Ablehnung gestoßen, obwohl er die Fol¬
gerungen aus der unzweifelhaften Mettlacher Provenienz Gausberts nur konsequent wei¬
terentwickelt hat. Zu der Spätdatierung sah er sich aufgrund des kunsthistorischen Argu¬
ments genötigt, daß Mitren tragende Bischöfe, wie sie den Folcardus-Brunnen
schmückten, frühestens erst für die Mitte des 11. Jahrhunderts bezeugt sind.44 Eine indi¬
36 ediert in NA 3 (1878), S.410f.
37 vgl. M.Cappuyns, Jean Scot Erigene, Paris 1933, S. 55, Anm. 5 mit Bezug auf PL 139, Kol. 859A
38 erstmals veröffentlicht von F. X. Kraus, Der Brunnen des Folcardus in St. Maximin bei Trier, in:
Jb. d. Vereins v. Altertumsfreunden im Rheinland 49 (1870), S. 94-102. Wiltheims „Annales Sti
Maximianae“ (Bibi. Royale Brüssel) sind ungedruckt.
39 vgl. hierzu Hoffmann-Curtius, Programm, S. 81-89 (betr. Thematik des Bildprogramms am
Brunnen, in dem die Thronvision der Apokalypse Ausdruck finde) und Reudenbach, Taufbecken,
S. 18 (Vergleich des Folcardus-Brunnens mit dem Lütticher Beispiel)
40 Kentenich, Gozbertus, S. 183
41 Kraus und später noch Hoffmann-Curtius geben als Amtszeit 990-996, vgl. aber Annalen von St.
Maximin, MGH SS II, S. 213. Frühestes Sterbedatum ist der 14, Dez. 996, sein Nachfolger Oftrad
ist erstmals 1000 belegt, vgl. Wisplinghoff, St. Maximin, S. 12 u. 52. Ein Trierer Klostervorsteher
mit exakt der Namensform „Folcardus“ ist im 10.-12. Jh. urkundlich nicht nachweisbar, skep¬
tisch gegenüber der durchweg vertretenen Gieichsetzung Folcardus-Folcmarus ist P. Clemen, Die
romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden, Düsseldorf 1916, S. 316
42 Kentenich, Sitz der Kunstschule; eine von ihm im Schlußsatz angekündigte weitere Arbeit zu
diesem Thema ist nicht erschienen.
43 Sein Vorgänger Nizo (II.) ist 1016/17 belegt, Folkold ist vor 1046 verstorben.
44 Dieses Argument verliert deutlich an Gewicht, wenn man berücksichtigt, daß die Grundlage für
die Betrachtung all dieser ikonographischen Details einzig die Wiltheim-Zeichnung des 17. Jh.(!)
ist, die - bestenfalls - exakt den Zustand des Brunnens etwa 600 Jahre nach seiner Erbauung zeigt.
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