nerhalb der Katastrophen, die Archiv und Bibliothek der Abtei im Dreißigjährigen Krieg
und dann wieder im 18. Jahrhundert heimgesucht haben.8
Die in flüssiger Reimprosa gehaltenen Miracula sind bereits in den einschlägigen frühneu¬
zeitlichen Darstellungen gern paraphrasiert worden. Der Bogen spannt sich hier von Tri-
themius über Brower bis Hontheim. Die erste kritische Auseinandersetzung mit Fragen
der Chronologie und der vorläufigen Sicherung der Abtsliste leistete im vorigen Jahrhun¬
dert J. C. Lager, dessen Ergebnisse dann 1974 von der Monographie des früh verstor¬
benen Th. Raach in mannigfacher Weise bereichert worden sind.9 Nichtsdestoweniger be¬
dürfen Raachs Aussagen in einigen Teilaspekten der Korrektur, und das „Sich-Reiben“
an den eher problematischen Textpassagen der Miracula wird auch in Zukunft eine loh¬
nende Beschäftigung bleiben.
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich zunächst auf Fragen aus dem Umkreis
der Gesta abbatum, ehe in Kap. 1.1.6. zwei weitere Wundererzählungen untersucht
werden. Ausgeklammert bleibt vorerst die etablierte Autorentrias Ruopert-Lioffin-Remi-
gius, die in den folgenden Kapiteln behandelt wird. Die in den Acta Sanctorum edierten
Miracula zeugen von einer gewissen Ausstrahlungskraft des heiligen Liutwin auf die „fa-
miliae“ der Abteien St. Sixtus in Rettel und St. Mauritius in Tholey;10 eine systematische
Betrachtung ist ihnen bislang noch nicht widerfahren. Als unumgängliches chronologi¬
sches Gerüst sei hier eine Abtsliste vorgelegt, die sich neben den Miracula auf spätere
Abtslisten und die gebotenen Korrekturen der Nekrologüberlieferung stützt:11
Ruotwich
(Hildebold)
Nithard/Nizo I.
Hezzel
Lioffin
Hezzel (2.Mal)
Remigius
Helderich
(Hildrad)
Helderich (2.Mal)
Berrard
Nithard/Nizo II.
um 940-45 - nach 977 (Todestag 23. 11.)
um 977/78
980- 18. 10.986
986/87
987/88-993
994/95
995 - 998?/nach 1008? (Todestag 25. 8.)
}
vor 1015
um 1015/16 (gestorben an einem 1. 4.)
um 1016
um 1016/17 — ? (Todestag 12. 2.)
8 Das Zeugnis Hontheims in der Historia Trevirensis I, S. 331, über das Schicksal der Mettlacher
Klosterbibliothek im 18. Jh. hat es „verdient, als Kulturdokument in extenso angeführt zu
werden“ (Nordenfalk, Abbas Leofsinus, S. 66, Anm. 33): „Mit. . . Unwillen erfuhr ich, als ich
nach den Manuscripten der Mettlacher Abtei forschte, von den Klosterleuten daselbst, daß bei dem
kürzlich begonnenen prachtvollen Neubau des Klosters man so wenig Sorge um die alten Codices
trug, daß deren Blätter zu allen vorkommenden Bedürfnissen, namentlich von Köchen zu Berei¬
tung von Coteletten (côtelettes à papiliot) benutzt wurden, so daß heute nicht einmal ein einziger
geschriebener Codex in der so alten und berühmten Abtei sei.“ (Übersetzung nach Lager, Mettlach,
S. 39)
9 Lager, Mettlach; Raach, Mettlach
10 vgl. cap. 7 u. 12
11 Hildebold, Abt zu St. Maria ad martyres, und später Hildrad, Abt von Prüm, fungierten als Koad¬
jutor bzw. Provisor in Krisenzeiten. Zu den Abweichungen gegenüber der Liste bei Becker, Mett¬
lacher Äbte, S. 51 f., siehe im einzelnen die folgenden Kapitel.
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