Ähnlich trägt auch in der Bonifatius-Passage die Ersetzung der indirekten Rede durch eine
lange direkte Rede nicht unbedingt zum Textverständnis bei, so daß man der ansonst
recht pauschalisierenden Kritik von Manitius in diesem Falle nur zustimmen kann.43
4.3. Die Miracula S. Pirminii Hornbacensia
Bald nach 1012 begann ein unbekannter Kleriker des St. Fabiansstifts zu Hornbach das
heilbringende Wirken des Pirminius bis in die unmittelbare Gegenwart fortzuschreiben.44
In ihrem ersten Teil (cap. 1-11) berichten die Miracula von mehreren Wundern, die der
Schutzpatron der Abtei zur Zeit der Äbte Adalbert (amt. etwa 972-993), Garemann und
Willimann (1008ff.) gewirkt habe. Pirmin scheint seine Tätigkeit vor allem auf die dama¬
ligen Baumaßnahmen am Westwerk der Abteikirche konzentriert zu haben, wo er der
Bosheit des Teufels, der diverse Stützmauern zum Einsturz brachte und den Architekten
der Anlage einer schweren Erkrankung auslieferte, energisch entgegentritt.45 Der Leser er¬
fährt auch von Bedrängungen der „familia“ des Klosters, die von feindlichem Kriegsvolk
heimgesucht wurde; selbst die benachbarte befestigte Siedlung sei nicht verschont ge¬
blieben. Der heilige Pirmin schlägt die Feinde jedoch mit Blindheit,... in finibus nostris
nusquam postea conparuerunt.46
Im Unterschied zu den Miracula S. Liutwini aus Mettlach liegt hier der Akzent ganz auf
den Wundererzählungen; die Namen der Äbte liefern nur einen chronologischen Anhalts¬
punkt. Man hätte insbesondere mehr zu Abt Adalbert erwartet, der als a bono opere
semper inrecessibilis charakterisiert und als Initiator der Baumaßnahmen genannt wird.
Aus der skizzenhaften „Vita Adalberti abbatis Hornbacensis“,47 die unzweifelhaft nicht
in Hornbach, sondern in Zell entstanden ist, erfährt man, daß er einem edlen Geschlecht
aus dem Bliesgau entstammte. Für uns ist er wichtig als Auftraggeber des sogenannten
Hornbacher Sakramentars. Auf nicht weniger als vier Widmungsbildern48 wird der wei¬
43 Manitius II, S. 447
44 Ausgaben in AA SS Nov. 11,1, S. 50-54 (ed. C. de Smedt) u. MGH SS XV,1, S. 31-35 (ed. O.
Holder-Egger); zur Datierung: Anno incarnationis dominicae millesimo duodecimo, procura¬
tionis Willimanni abbatis quarto (cap. 16). Mit der summarischen Wunderauflistung des Schlu߬
kapitels der Pirminsviten (Angenendt, Monachi peregrini, S. 44, charakterisiert sie als „magere
Schlußbemerkung“) war man offenbar nicht mehr zufrieden. Moraw,St. Fabian, S. 117f., wendet
sich gegen die Prämisse der älteren Autoren, die Miracula seien von einem Mönch der Abtei Horn¬
bach geschrieben worden. Mit Recht verweist er auf die eigentümliche Anrede O sanctissimi
patres (cap. 2) sowie auf die starke Hervorhebung der Verdienste des hl. Fabian (z. B. cap. 14 u.
16).
45 vgl. v. a. cap. 3 (ad portam ecclesiae occidentalem) u. cap. 5 (Eodem tempore clericus quidam,
eiusdem operis architectus). Letzterer gehörte wahrscheinlich ebenfalls dem St. Fabiansstift an.
46 MGH SS XV, 1, S. 33,Z. 18f.; ebd. Z. 8ff. siedlungsgeschichtlich sehr aufschlußreiche Formulie¬
rungen: His ita gestis, sicut perverse agentibus omnia cooperantur in malum, ipsam urbem ever¬
tendam irrumpere nitentes, suburbana devastant, edificia diruunt, homines inventos verberando
cruentant. Quibus visis, urbani portas claudunt. . . (Anspielungen auf den mauerumwehrten Im¬
munitätsbezirk des Klosters?)
47 MGH SS XXX, S. 805 (ed. A. Hofmeister)
48 Abb. u. a. in Ornamenta Ecclesiae, S. 139-142; ausführliche ikonographische Analyse bei Bloch,
Hornbacher Sakramentar; Beschreibung der Handschrift bei Schönherr, Handschriften, S. 215-
223; paläographische Untersuchung bei Hoffmann, Buchkunst, S. 344
102