b) Das Beispiel der Stadt Saarbrücken
Die ersten bedeutenderen Elektrizitätswerke von Kommunen in der Saarregion gingen
1895 und 1896 in Alt-Saarbrücken und in St. Johann in Betrieb158. Ein Projekt zur
elektrischen Straßenbeleuchtung von 1890 im benachbarten Malstatt-Burbach kam
nicht zur Durchführung, obwohl die Bewohner sich dort aus lokaler Rivalität gefreut
hatten, daß „St. Johann und Saarbrücken in dieser Beziehung überflügelt würden“159.
Beide Werke von 1895/96 wurden mit Dampf betrieben und erzeugten Gleichstrom
von 110/220 Volt Spannung. Das St. Johanner Werk lag auf dem Grundstück des alten
Gaswerkes in der Dudweiler Straße und hatte eine Leistung von 150 kW. Das Alt-
Saarbrücker Kraftwerk hinter dem Saalbau erreichte eine Höchstleistung von 130 kW.
Verteilt wurde der Strom in St. Johann durch Erdkabel, während man in Alt-Saar¬
brücken ein Freileitungsnetz bevorzugte, welches auf den Häusern befestigt war. Uber
die anfänglich positiven wirtschaftlichen Ergebnisse des unter der Leitung von Hugo
Tormin, später Direktor der Vereinigten Stadtwerke und der Stromvertriebsgesell¬
schaft Saarbrücken (vgl. Kap. II.), stehenden St. Johanner Werkes für die ersten Be¬
triebsjahre gibt Tabelle 5 Auskunft. Das St. Johanner Werk wurde von Anfang an
unter städtischer Regie betrieben, während Saarbrücken sein Werk an die Rheinische
Schuckert - Gesellschaft für elektrische Industrie AG, Mannheim, bis zum 31.12.1907
verpachtete160.
In der Anfangszeit mußten die Elektrizitätswerke gezielt um Kunden werben161.
Aber auch für bereits angeschlossene Konsumenten war eine nutzbringende Anwen¬
dung von Elektrizität noch so neuartig, daß die Versorgungsunternehmen Hilfe hier¬
für anboten. Alle Abnehmer des St. Johanner Werkes erhielten beispielsweise ein
Merkblatt mit „Erfahrungszahlen für elektrische Inneneinrichtungen“, das eine
zweckmäßige Ausstattung mit Glühlampen empfahl: Für „Wohnräume bei reicher
Ausstattung“ genügten für einen Salon pro qm „vier bis fünf Normalkerzen“, Schlaf¬
zimmer kamen mit „ein bis eineinhalb Normalkerzen“ aus. In Wohnräumen bei einfa¬
cher Ausstattung reichte im Schlafzimmer schon eine Beleuchtung von „einer halben
bis einer Normalkerze“... „Bei Ersatz von Gasbeleuchtung ist zu setzen anstelle von
einer offenen Gasflamme eine Glühlampe von 10 Kerzen, eines Argandbrenners eine
Glühlampe von 16 Kerzen und eines Auerglühlichts 2 Glühlampen von 16 Ker¬
zen“162. Diese Werbemaßnahmen waren auch wegen der recht hohen Preise für Elek¬
trizität notwendig. Die Brennstunde einer lOkerzigen Glühlampe kostete 2,6 Pfg.; eine
158 Historische Energiestatistik Band I (1986). Als Bearbeiter dieser Statistik standen dem Ver¬
fasser auch die Daten zu den einzelnen saarländischen Elektrizitätswerken zur Verfügung,
die im folgenden eingebracht wurden.
159 25Jahre Stadt Saarbrücken (1934), S. 9.; Volz (1934), S. 110f., Schneider (1959), S. 86ff.,
v.a. S. 88ff., vgl. ebf. SZ-RA, Saarbrücker Zeitung v. 15.03.1974.
160 EKB 7 (1909), S. 17.
161 Vgl. Wikander (1909),S.461f.,935f.;zudiesemThemafandeineeingehendezeitgenössi-
sche Diskussion in der ETZ 30 (1909) statt: S. 580ff., 612f., 626f., 653f., 678, 706f., 726f.,
753ff.; vgl. auch Dettmar (1911), passim; Siegel (1917), S. 50ff.
162 Vgl. SZ-RA, Saarbrücker Zeitung v. 18.10.1896. Eine Kerze entsprach etwa 3-3,5 Watt,
Kalischer (1967), S. 167; allg. vgl. auch Rumpf (1920), S. 18ff.
58