Grenzen9. Eine weitere Parallele zur Zeit nach 1920 ist in Eingriffen in die Unterneh¬
mensverflechtungen nach dem wirtschaftlichen Anschluß zu sehen. Beschlagnahme
und Zwangsverwaltung gegen deutsches Vermögen im Saarland ebneten französischen
Gruppen den Weg zu Mehrheitsbeteiligungen in der Röhrenproduktion, in der Glasin¬
dustrie, im Handel sowie im Banken- und Versicherungswesen10. Nach der Errich¬
tung der Zollgrenze zwischen Saarland und Rheinpfalz am 22.12.1946 erfolgte am
16.06.1947 die Einführung der Saarmark und der Umtausch der Reichsmark in Saar¬
mark im Verhältnis 1:1. Offizielle Begründung war das spekulative Einströmen von
Markbeträgen in beträchtlicher Höhe an die Saar, dem ein Ende gesetzt werden
sollte11. Am 20. November 1947 folgte die Einführung der französischen Währung.
Diese beschränkte sich nicht nur auf den Geldumtausch, sondern beinhaltete kompli¬
zierte und weitgehende Reglementierungen von Währung, Devisenverkehr, Kreditwe¬
sen und Investitionspolitik.
Nach der umstrittenen saarländischen Verfassung vom 17.12.1947 „gründete das Volk
an der Saar ... seine Zukunft auf den wirtschaftlichen Anschluß des Saarlandes an die
französische Republik und die Währungs- und Zolleinheit mit ihr“ sowie auf die politi¬
sche Unabhängigkeit vom Deutschen Reich (Präambel). Damit waren die Vorausset¬
zungen für den vollen wirtschaftlichen Anschluß geschaffen. Detailregelungen in 12
verschiedenen Konventionen wurden bis 1950 noch ausgehandelt12. Am 30.03.1948
trat die saarländisch-französische Zollunion in Kraft. Die Zollgrenze wurde von der
saarländisch-französischen Grenze an die Grenze zwischen Saarland und dem übrigen
Deutschland verschoben, der saarländisch-französische Handelsverkehr wurde frei.
Auf alle Wirtschaftsbeziehungen des Saarlandes mit dem Ausland fanden die französi¬
schen Zollvorschriften Anwendung. Die Ersetzung der Bezeichnung „Made in Germa-
ny“ durch „Made in the France-Saar Economic Union“ vom Februar 1949 drückte die
Neuorientierung der Saarwirtschaft deutlich erkennbar aus13.
2. Bestandsaufnahme und Neuanfang in der Elektrizitätswirtschaft
a) Die Lage im Versorgungsgebiet der VSE
Die Hauptverwaltung der VSE kam ab Anfang Mai 1945 von Sulzbach zurück nach
Saarbrücken und bezog das noch von Kriegs- und Wasserschäden betroffene Haus
Scheffelstr. 1 (später Heinrich-Böcking-Str. 1), das bereits im November 1944 als Ersatz
für das zerstörte Verwaltungsgebäude angemietet worden war, wegen Räumung der
9 Herrmann (1972), S. 71.
10 Ebd.; für die Elektrizitäts- und Gaswirtschaft kann dies entgegen Herrmanns Ansicht
nicht nachgewiesen werden.
11 Erklärung des Leiters der französischen Delegation vor dem Rat der Außenminister in New
York am 09.12.1946, in: Die Saar (1956), S. 8f.
12 Herrmann (1972), S. 70.
13 Keuth (1963/64), S. 150. Seine heutigen Grenzen erhielt das Saarland endgültig im April
und Juni 1949, als die Gemeinde Kirrberg und eine 19,3 ha große Fläche in der Nähe von
Höchen dem Saarland angegliedert wurden. Vorausgegangen war am 18.07.1946 die Abtren¬
nung von 152 Gemeinden von Rheinland-Pfalz und die Anbindung an das Saarland; 61 Ge¬
meinden gab das Saarland am 08.06.1947 wieder zurück, vgl. Herrmann (1972), S. 45f.
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