I. Die Anfänge der Elektrizitätsversorgung an der Saar
1. Grundlagen und Voraussetzungen
Ausgedehnte Steinkohlevorkommen boten im Zeitalter der Industrialisierung eine
reichhaltige Energiebasis im Saarrevier. „Der Siegeszug der Dampfmaschine“1 brach¬
te die technischen Voraussetzungen eines in immer größere Tiefen vorstoßenden Ab¬
baues der Flöze. Eisen- und stahlerzeugende Industrien fanden hier eine ideale Grund¬
lage für ihre Produktion, als 1871 die transportgünstig gelegenen lothringischen
Minette-Erze innerhalb des zollpolitisch gleichen Wirtschaftsraumes zur Verfügung
standen. Deren Verhüttung bereitete ab Ende der 1870er Jahre durch das von zwei
Engländern entwickelte Thomas-Gilchrist-Verfahren trotz des Phosphatreichtums
immer weniger Schwierigkeiten.
Die reichlich und billig vorhandene Kohle diente als Betriebsmittel für Dampfmaschi¬
nen, die Hauptförderanlagen der preußischen und privaten Bergverwaltungen in den
zahlreichen Gruben des Saarreviers, große Walzenzug- und Reversiermaschinen der
Stahlindustrie, aber auch Arbeitsmaschinen der vielen Zuliefererbetriebe der Montan¬
industrie antrieben. Die fortschreitende Technik im Dampfmaschinenbau brachte
aber nicht nur immer größere Exemplare hervor, sondern bemühte sich auch, mittle¬
ren und kleineren Unternehmen ein adäquates Antriebsmittel für ihre Arbeitsmaschi¬
nen zur Verfügung zu stellen. Hier stieß man allerdings rasch auf die Grenzen zwischen
technisch möglichen und wirtschaftlich sinnvollen Größen: Platzbedarf, Gewicht,
Brennstoffverbrauch und Gesamtkosten steckten klare Grenzen gegenüber einer An¬
wendung der Dampfmaschinen in kleineren Unternehmen ab. Für letztere Betriebs¬
größe boten sich eher kleine Antriebsmaschinen wie Heißluft-, Druckluft-, Wasser¬
druck- oder aber Gasmotoren an, wie sie beispielsweise der Maschinenbauingenieur
Reuleaux Handwerkern und anderen Kleingewerbetreibenden empfahl. Auch unter
sozialpolitischen Gesichtspunkten spielte die Propagierung dieser kleinen Antriebs¬
maschinen eine Rolle, um den Beweis anzutreten, daß der aufstrebende Kapitalismus
nicht automatisch das Ende der Kleinbetriebe und die Übermacht der großen Unter¬
nehmen bedeutete, wie es Kritiker der kapitalistischen Entwicklung, beispielsweise
Karl Marx, vorhergesagt hatten2. Für den kleinen Gasmotor schienen die Vorausset¬
zungen im Saarrevier aufgrund der leichten Umwandlungsmöglichkeit von Kohle in
Gas und der wachsenden Zahl von Gaswerken im Gegensatz zu vielen revierfernen Ge¬
bieten des Deutschen Reiches hervorragend.
1 Vgl. Herrmann (1981), S. 165ff.; allg. vgl. Klein (1981), S. 93ff.; Läufer (1981),
S. 122ff.; Horch (1985); Lehmann (1922); ders. (1925); Keuth (1963/64); Herr¬
mann/Klein (1966), S. 132ff.; Keuth (1966), S. 109ff. (ähnliche Darstellungen finden
sich in verschiedenen anderen Kreisbeschreibungen des Saarlandes); Früh auf (1980);
Weigert (1922); S. 117ff.
2 Vgl. Reuleaux (1885); Schmoller (1870); Voigt (1897), S. 631ff., 662ff,; Unter¬
suchungen über die Lage des Handwerks in Deutschland (1895/97); Das deutsche Handwerk
(Generalbericht) (1930), S. 189f.; Grothe (1884); Bauer (1907), Diehl (1908), S. 173;
Ergang (1911), S. 658ff.; Schiff (1911), S. 729ff.; Sand (1926), S. 32ff.; Sass (1962),
S. 19ff.; Mauel (1972), S. 159ff.; Wengenroth (1984), S. 305ff.; Neuberg (1908),
S. 105ff.; ders. (1903), S. 145ff und (1904), S. 49ff.; Zoepfl (1903).
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