5. Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Elektrizitätsversorgung
im Gau Saar - Pfalz
Interessengemeinschaft VSE - Pfalzwerke
VSE - Beteiligung an der Kraftwerk Wehrden GmbH
Nach der Rückgliederung des Saargebietes in das Deutsche Reich wurden Saarland und
Pfalz zur gemeinsamen Bezirksgruppe Saar-Pfalz der Wirtschaftsgruppe Elektrizitäts¬
versorgung (WEV) zusammengefaßt. Erster Leiter dieser Bezirksgruppe war das Vor¬
standsmitglied von VSE und Kraftwerk Wehrden, Dr. Wilhelm Rodenhauser. Der Zu¬
sammenschluß war in Verbindung mit den Plänen zu sehen, deckungsgleich zum Par¬
teigau der NSDAP ein neues Reichsland zu schaffen, da beide Gebiete „stammesmäßig,
kulturell, landschaftlich und wirtschaftlich weitgehend eine Einheit bildeten“50.
Tatsächlich wiesen Saarland und Pfalz sowohl hinsichtlich der Bevölkerungsdichte
(430:195) wie in der Stromverbrauchsdichte wesentliche Unterschiede auf. Dem hoch¬
industrialisierten Saarland stand lediglich im Osten der Pfalz eine annähernd gleich¬
wertige Region am Rhein gegenüber. Entsprechend unterschiedlich strukturiert stell¬
ten sich auch die beiden großen Elektrizitätsversorgungsunternehmen des genannten
Bezirkes, VSE und Pfalzwerke, dar. Während das VSE-Versorgungsgebiet durch die
starke Bevölkerungsdichte und den außerordentlich hoch entwickelten industriellen
Energiebedarf neben Rheinland, Sachsen und Westfalen zu den Bezirken mit der höch¬
sten Stromverbrauchsdichte gehörte, war der Versorgungsbereich der Pfalzwerke in
weiten Teilen durch bevölkerungsarme und industrieferne Gebiete gekennzeichnet.
Geringere Stromabsatzmöglichkeiten und ein weiträumiges, aufwendiges Verteilungs¬
netz waren für die Pfalzwerke mit entsprechend höheren finanziellen Aufwendungen
verbunden und hatten Anfang der dreißiger Jahre zu einer Liquiditätskrise (vgl. Kap.
IV.9.b) geführt.
Größere Unterschiede zwischen VSE und Pfalzwerke AG bestanden auch in der An¬
zahl der direkt versorgten B-Gemeinden, die bei der VSE verhältnismäßig hoch war.
Dagegen lag bei den Pfalzwerken der Anteil der weiterverteilenden A-Gemeinden
deutlich über dem Reichsdurchschnitt und drückte folglich auf die Kostenstruktur.
Letzte echte Selbstversorger waren in der Pfalz die Stadt Pirmasens und im Saarland
die Gemeinde Saarhölzbach51, alle übrigen Gemeinden hatten entweder (wie Lud¬
wigshafen, Zweibrücken, Völklingen und andere) gar keine oder (wie Saarbrücken,
Neunkirchen und Landau usw.) nur verhältnismäßig geringe Erzeugungsziffern aufzu¬
weisen. Setzte man das Aktienkapital der beiden Unternehmen nominell jeweils mit
100% gleich, so betrug bei den Pfalzwerken das Verhältnis zwischen Verbindlichkeiten
und Grundkapital 112%, bei der VSE dagegen rund 72%52. Schließlich wiesen auch
die Tarifpreise der VSE, die etwa denen des RWE entsprachen, erheblich niedrigere
Werte auf als die relativ hohen Preise der Pfalzwerke. Ein Blick auf die Beteiligungsver-
50 Vgl. Heutiger Stand der Elektrizitätswirtschaft (1935), S. 595ff.
51 Schumacher (1935), S. 84; am 02./03.11.1936 schloß die Gemeinde Saarhölzbach mit dem
RWE einen B-Vertrag und gab die Eigenerzeugung endgültig auf (vgl. LA Sbr. MW 623, Be¬
richt Landrat Merzig v. 15.11.1951).
52 Volke, J., Elektrobasis Saarland-Pfalz, in: NSZ-Rheinfront v. 27.09.1935. Das hier ange¬
nommene Grundkapital der VSE von 6,2 Mio RM wurde auf die tatsächlichen 4 Mio RM
nach der RM-Eröffnungsbilanz reduziert.
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