chen Saar-Elektrizitäts Wirtschaft waren aber immer wieder daran gescheitert, daß er
in seinen Bemühungen weit über das Ziel hinausschoß und dadurch die möglichen
Partner, beispielsweise RWE und Pfalzwerke, vor den Kopf stieß. Ferner waren seine
gesamten energiewirtschaftlichen Zielsetzungen eindeutig darauf ausgerichtet, daß die
Stadt Saarbrücken hier eine dominierende Rolle spielen sollte, was ihm die Landgebiete
verständlicherweise verübelten. Erfolg war Neikes immer dann beschieden, wenn tat¬
sächlich gemeinsame Saar-Interessen durchzusetzen waren, wie der Rückerwerb der
französischen Aktien der SLE gezeigt hatte. Alle anderen Aktivitäten des Saarbrücker
Oberbürgermeisters stießen meist auf Mißtrauen der restlichen Aktionäre. Mit Neikes
als Aufsichtsratsvorsitzendem und seinem Beigeordneten Armbrüster als Vorstands¬
mitglied der VSE war die Verquickung von öffentlichen Ämtern und wirtschaftlichen
Interessen ins Unerträgliche gesteigert worden.
Auch der Vorstand der VSE geriet nach der Rückgliederung nochmals unter Druck.
Treibende Kräfte waren allerdings nicht Parteifunktionäre der NSDAP, sondern die
ehemaligen Vorstandsmitglieder Mandres und Schramm, die aus ganz offensichtlich ei¬
gennützigen Interessen heraus verschiedene Versuche unternahmen, Keßler und
Rodenhauser bei den neuen Machthabern in Mißkredit zu bringen. Mandres beschul¬
digte Keßler in einem Brief an den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dürrfeld, daß er
über den Vorsitzenden der saarländischen Zentrumspartei, Rechtsanwalt Steegmann,
zu seiner Stelle bei der VSE gekommen sei. Zudem habe Keßler vertraulich versichert,
selbst wenn er einmal wegen seiner Position gezwungen sein sollte, in die NSDAP ein¬
zutreten, bleibe er „in seinem Herzen katholischer Verbindungsmann“37. Dieser Ver¬
such stieß jedoch ins Leere; aus heutiger Sicht ist der Vorwurf von Mandres ein positi¬
ver Ausdruck der Haltung Keßlers, die sich nicht an vordergründigen politischen Ver¬
änderungen orientierte. Schramm hatte sich als Berater der sogenannten
bergfiskalischen Gemeinden vertraglich zusichern lassen, daß er bis zu 25% der von der
VSE zu zahlenden Entschädigungssumme erhalten sollte und griff den Vorstand der
VSE in verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen immer wieder scharf an38. Alle
Versuche, auch auf Vorstandsebene Anpassungen an die veränderten politischen
Machtverhältnisse vorzunehmen, scheiterten letztlich. Keßler war erst wenige Jahre
bei der VSE im Amt und somit nicht für die vergangenen Vorgänge haftbar zu machen.
Dr. Rodenhauser galt in seinem Hauptamt als Generaldirektor der Röchling-Werke als
enger Vertrauter Hermann Röchlings, der auch unter den neuen Machthabern als poli¬
tisch zuverlässig angesehen wurde. Für die praktische Vorstandsarbeit der VSE war
durch die Veränderungen im Aufsichtsrat der Weg freigeworden für eine langfristig ge¬
plante Unternehmenspolitik, die nicht mehr wie früher durch Eingriffe des Aufsichts¬
ratsvorsitzenden einseitig zugunsten der Stadt Saarbrücken ausgerichtet wurde.
37 StadtA Sbr. BG 7217, 29.07.1935.
38 ASV Sbr. GS-30, 12.04.1934; StadtA Sbr. BG 7199, 10.11.1933; VSE-AHV, verschiedene
Schreiben zur Aufsichtsratssitzung vom 29.05. 1935 betr. Schramm. Vgl. auch die undurch¬
sichtigen Umstände der Zusammenarbeit von Schramm mit dem Aufsichtsratsmitglied
Eckert anläßlich der Umstellung des Blechwalzwerkes Hostenbach auf vollelektrischen An¬
trieb, als neben dem VSE-Stromlieferungsangebot plötzlich auch ein solches der Grubenver¬
waltung auftauchte (StadtA Sbr. BG 7114).
195