Full text: Geschichte der Elektrizitätsversorgung des Saarlandes unter besonderer Berücksichtigung der Vereinigten Saar-Elektrizitäts-AG (17)

chen Saar-Elektrizitäts Wirtschaft waren aber immer wieder daran gescheitert, daß er 
in seinen Bemühungen weit über das Ziel hinausschoß und dadurch die möglichen 
Partner, beispielsweise RWE und Pfalzwerke, vor den Kopf stieß. Ferner waren seine 
gesamten energiewirtschaftlichen Zielsetzungen eindeutig darauf ausgerichtet, daß die 
Stadt Saarbrücken hier eine dominierende Rolle spielen sollte, was ihm die Landgebiete 
verständlicherweise verübelten. Erfolg war Neikes immer dann beschieden, wenn tat¬ 
sächlich gemeinsame Saar-Interessen durchzusetzen waren, wie der Rückerwerb der 
französischen Aktien der SLE gezeigt hatte. Alle anderen Aktivitäten des Saarbrücker 
Oberbürgermeisters stießen meist auf Mißtrauen der restlichen Aktionäre. Mit Neikes 
als Aufsichtsratsvorsitzendem und seinem Beigeordneten Armbrüster als Vorstands¬ 
mitglied der VSE war die Verquickung von öffentlichen Ämtern und wirtschaftlichen 
Interessen ins Unerträgliche gesteigert worden. 
Auch der Vorstand der VSE geriet nach der Rückgliederung nochmals unter Druck. 
Treibende Kräfte waren allerdings nicht Parteifunktionäre der NSDAP, sondern die 
ehemaligen Vorstandsmitglieder Mandres und Schramm, die aus ganz offensichtlich ei¬ 
gennützigen Interessen heraus verschiedene Versuche unternahmen, Keßler und 
Rodenhauser bei den neuen Machthabern in Mißkredit zu bringen. Mandres beschul¬ 
digte Keßler in einem Brief an den neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dürrfeld, daß er 
über den Vorsitzenden der saarländischen Zentrumspartei, Rechtsanwalt Steegmann, 
zu seiner Stelle bei der VSE gekommen sei. Zudem habe Keßler vertraulich versichert, 
selbst wenn er einmal wegen seiner Position gezwungen sein sollte, in die NSDAP ein¬ 
zutreten, bleibe er „in seinem Herzen katholischer Verbindungsmann“37. Dieser Ver¬ 
such stieß jedoch ins Leere; aus heutiger Sicht ist der Vorwurf von Mandres ein positi¬ 
ver Ausdruck der Haltung Keßlers, die sich nicht an vordergründigen politischen Ver¬ 
änderungen orientierte. Schramm hatte sich als Berater der sogenannten 
bergfiskalischen Gemeinden vertraglich zusichern lassen, daß er bis zu 25% der von der 
VSE zu zahlenden Entschädigungssumme erhalten sollte und griff den Vorstand der 
VSE in verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen immer wieder scharf an38. Alle 
Versuche, auch auf Vorstandsebene Anpassungen an die veränderten politischen 
Machtverhältnisse vorzunehmen, scheiterten letztlich. Keßler war erst wenige Jahre 
bei der VSE im Amt und somit nicht für die vergangenen Vorgänge haftbar zu machen. 
Dr. Rodenhauser galt in seinem Hauptamt als Generaldirektor der Röchling-Werke als 
enger Vertrauter Hermann Röchlings, der auch unter den neuen Machthabern als poli¬ 
tisch zuverlässig angesehen wurde. Für die praktische Vorstandsarbeit der VSE war 
durch die Veränderungen im Aufsichtsrat der Weg freigeworden für eine langfristig ge¬ 
plante Unternehmenspolitik, die nicht mehr wie früher durch Eingriffe des Aufsichts¬ 
ratsvorsitzenden einseitig zugunsten der Stadt Saarbrücken ausgerichtet wurde. 
37 StadtA Sbr. BG 7217, 29.07.1935. 
38 ASV Sbr. GS-30, 12.04.1934; StadtA Sbr. BG 7199, 10.11.1933; VSE-AHV, verschiedene 
Schreiben zur Aufsichtsratssitzung vom 29.05. 1935 betr. Schramm. Vgl. auch die undurch¬ 
sichtigen Umstände der Zusammenarbeit von Schramm mit dem Aufsichtsratsmitglied 
Eckert anläßlich der Umstellung des Blechwalzwerkes Hostenbach auf vollelektrischen An¬ 
trieb, als neben dem VSE-Stromlieferungsangebot plötzlich auch ein solches der Grubenver¬ 
waltung auftauchte (StadtA Sbr. BG 7114). 
195
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.