sei wie bei dieser Sitzung251. Auch die Bildung des Präsidiums mit dem Zweck, den
von allen Landgebieten beklagten übermächtigen Einfluß des Vorsitzenden des Auf¬
sichtsrates einzuschränken252, trug zu einer Versachlichung der gegensätzlichen
Standpunkte bei, vor allem nachdem ab der Aufsichtsratssitzung vom 19.04.1928 stän¬
dig Vertreter der Preußenelektra sowohl im Aufsichtsrat wie im Präsidium an den Sit¬
zungen teilnahmen.
Einige Zeit später kam es zu größeren Auseinandersetzungen — kleine Streitigkeiten
blieben an der Tagesordnung —, als der Versuch der Stadt durchsickerte, ihre Aktien
mit denen der Preußenelektra in einen Pool zu werfen und gemeinsam zu stimmen253,
was eine einfache Mehrheit gegenüber den Landgebieten gebracht hätte. Zu Recht ver¬
ärgert waren die Vertreter der Landkreise auch über die Anweisung von Oberbürger¬
meister Neikes an den Vorstand der SLE, die monatliche Bilanz des Unternehmens nur
an ihn selbst sowie an die Preußenelektra-Vertreter Frank und Römer zu schicken,
nicht aber an die Vertreter der Landgebiete, da diese „nicht alle Unterlagen bekommen
dürften und zudem Interessenten seien“254. Wenn auch Neikes seinen Beigeordneten
Armbrüster noch bis zum 31. Mai 1929 als Vorstandsmitglied der SLE halten
konnte255, so gelang es doch durch das tatkräftige Vorgehen des Landrates Dr. Voge¬
ler, das latente Mißtrauen der Landgebiete gegen die Elektrizitätspolitik der Stadt Saar¬
brücken, das bis zur „Einheitsfront von Kommunisten und Zentrumsleuten“
führte256, Stück für Stück abzubauen und sie in die SLE zu integrieren.
Ausdruck dieses Bemühens war z. B. die Abstellung des Völklinger Betriebsdirektors
Vogel in nebenamtlicher Tätigkeit als Berater des Landkreises Saarbrücken, um die
noch nicht von SLE oder RWE versorgten Teile des Kreises zusammenzufassen und
der SLE zuzuführen. In einer umfangreichen Erhebung über die bestehenden Versor¬
gungsverhältnisse in den Bürgermeistereien Dudweüer, Sulzbach, Friedrichsthal,
Quierschied, Riegelsberg, Püttlingen und Gersweiler stellte Vogel fest, daß die Elektri¬
zitätswerke der Gemeinden durchweg unwirtschaftlich arbeiteten und seit Jahren —
wie in Friedrichsthal und Riegelsberg — Fehlbeträge erwirtschafteten257. Die Ursa¬
chen sah Vogel darin, daß in der Spitze der Werke nie ein Fachmann, sondern meistens
der Gemeindebaumeister stehe, der von der Elektrizitätsversorgung „garnichts verste¬
he“. Monteure und Arbeiter würden fast nie nach Eignung, sondern nach Beziehungen
zu den Gemeinderatsmitgliedern und Parteien ausgesucht. Die Friedrichsthaler und
Riegelsberger Straßenbahnen z.B. seien „lange Zeit nicht mehr gewesen als Versor-
251 Ebd., 17. und 21.03.1928; ebd. GS-23, 21.04.1928.
252 Vogeler an Neikes (ASV Sbr. GS-22,17.03,1928); die ao. HV v. 19.03.1928 beschloß die Än¬
derung des § 10 zur Bildung eines Präsidiums aus dem Aufsichtsratsvorsitzenden sowie sei¬
nen drei Stellvertretern (VSE-AHV).
253 ASV Sbr. GS-25, 28.05.1931.
254 Schreiben des ehemaligen Vorstandsmitgliedes Mandres an das Landgericht Saarbrücken v.
05.12.1934 über seine Tätigkeit im Vorstand der SLE/VSE (ASV Sbr. GS-27).
255 Länger konnte ihn Neikes schließlich nicht mehr stützen, in der Öffentlichkeit machte sich
zunehmend Unmut breit; so schrieb bspw. die Arbeiterzeitung am 18.01.1929 über die Auf¬
wandsentschädigungen von Armbrüster: „Demnach wird sogar die SLE im Interesse der
Stadt Saarbrücken auf Kosten der übrigen Arbeitergemeinden des Saargebietes als melkende
Kuh benutzt, ohne daß die Stadt selbst ein einziges kW Strom aus dieser Gesellschaft be¬
zieht.“ (StadtA Sbr, BG 7223).
256 So z.B. im Mai 1928 im Kreistag von Saarlouis (ASV Sbr. GS-21).
257 Ebd. GS-44, 25.07.1928.
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