sichtlich der Stromlieferung innehatte. Die MDF hatten seit der Übernahme der Gru¬
ben vom preußischen Staat keinen Stromlieferungsvertrag mit der SVG/SLE abge¬
schlossen, sondern lediglich eine Vereinbarung getroffen, daß der Vertrag zwischen
SVG und preußischer Bergwerksdirektion vom 11./13.02.1918 am 28. Juni 1919, dem
Tag der Unterzeichnung des Versailler Vertrages, ungültig würde. Nach dieser Zeit er¬
folgte die Stromlieferung auf der Grundlage eines vorläufigen Abkommens vom
28.04.1920, das bis Ende desselben Jahres währte und die gleiche Strompreisberech¬
nung wie beim alten preußischen Vertrag vorsah46. Ab 01.01.1921 wurde die SVG
von der französischen Bergverwaltung lediglich als normaler Großabnehmer behan¬
delt, sie verlor ihre Vorrangstellung in der Verteilung elektrischer Energie in dem vor
dem Krieg festgelegten Umfang. Sie lebte ständig in der Sorge, daß die MDF sich Gro߬
abnehmer zur direkten Belieferung vorbehielten, hatte teilweise höhere Preise als die
Pfalzwerke zu akzeptieren und erhielt keine Gewähr einer regelmäßigen Versorgung.
Unterbrechungen durch Streiks oder Naturkatastrophen fielen zu Lasten der SVG47.
Erst am 20. April 1922 wurde ein regulärer Stromlieferungsvertrag zwischen MDF und
SLE geschlossen. Seine Unterzeichnung erfolgte allerdings durch den Aufsichtsrat,
nicht durch den Vorstand der SLE, ein deutliches Indiz für den weitgehenden Einfluß,
den die französische Kapitalgruppe auf die Unternehmenspolitik zu Beginn der zwan¬
ziger Jahre nahm48. Mit diesem Vertrag war zwar eine bessere Rechtsgrundlage herge¬
stellt worden, die praktische Verwirklichung der Stromlieferung ließ aber noch oft
Wünsche offen.
3. Inflation und endgültige Franken - Eröffnungsbilanz
Eine zusätzliche Erschwernis zu den der SLE aufgezwungenen ungünstigen Strombe¬
zugsbedingungen von den MDF brachte die immer stärkere Inflation der Markwäh¬
rung und die beginnende Einführung des französischen Franc im Saargebiet. Die Infla¬
tion war ein verspätetes Erbe von 1918/19: Kriegsniederlage sowie politischer und
wirtschaftlicher Umbruch sorgten für den Sturz der Reichsmark. Die französische
Bergverwaltung hatte bereits am 01. Juli 1920 damit begonnen, ihre Arbeiter in franzö¬
sischer Währung zu bezahlen. Andere Unternehmen, an erster Stelle die von französi¬
schem Kapital majorisierten Firmen, zogen nach49. Während der Franc relativ stabil
blieb, verschlechterte sich der Kurs der Mark von Woche zu Woche, bald von Tag zu
Tag50. Im Saargebiet entstand eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, von der diejenigen pro-
46 Stadt A Sbr. BG 7130.
47 Ebd., 27.10.1922.
48 VSE-AHV, Aufsichtsratssitzung V. 25.04.1922.
49 Am 01.12.1920 eisenschaffende Industrie, am 01.05.1921 Bahn- und Postbedienstete, am
01.08.1921 sonstige Staatsbeamte, ab 01.10.1921 folgten langsam die Gemeindebediensteten;
vgl. Latz (1985), S. 49ff.; Her 1 y (1926), S. 44ff., 7lff.; Savelkouls (1922), S. 35ff., 55ff.,
79ff.; Lüpke (1924), passim; Behrens (1925), S. 14ff.
50 In der Elektroindustrie des Saargebiets erfolgten nach einer Schätzung der Handelskammer
Saarbrücken rund 50% der Einkäufe lediglich zu Spekulationszwecken. Ein Preiszusammen¬
bruch im Frühjahr 1920 führte zur völligen Geschäftsstockung, vgl. Bericht der Handels¬
kammer Saarbrücken über das Wirtschaftsjahr 1920, in: Saar-Wirtschaftszeitung Nr. 6-9 v.
26.02.1921, S. 96f., 106.
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