betreiben26. So gelang es der Stadt Merzig nach schwierigen Verhandlungen mit der
Pächtergesellschaft des Gaswerkes, einen noch vor Kriegsausbruch abgeschlossenen
Konzessionsvertrag mit dem Kreis Merzig über die Stromversorgung der Stadt im
Jahre 1917 in die Tat umzusetzen27. Probleme bereitete allerdings der Ausbau des
Ortsnetzes in der Stadt, da die statt Kupfer- zur Verfügung stehenden Eisenleitungen
vielfach zu schwer für normale Dachgestänge waren; die ursprünglich geplanten Erd¬
kabel waren unter den bestehenden Umständen nicht zu erhalten28. Der in den Krei¬
sen Saarlouis und Merzig tätigen Becker-Gesellschaft gelang es, in Alt- und Neufor-
weiler29 sowie in 24 Ortschaften des Kreises Merzig die Ortsnetze während des Krie¬
ges fertigzustellen30. In Lebach wurde das Elektrizitätswerk von Franz Xaver Gehring
durch die Becker-Gesellschaft übernommen und das Netz noch 1915 von Gleichstrom
auf Drehstrom umgebaut, wodurch die Abnehmerzahl von 110 auf 212 Konsumenten
gesteigert werden konnte31. Parallelen der aufgezeigten Anschlußbewegung im Saar¬
revier waren auch im benachbarten Reichsland Elsaß-Lothringen festzustellen32.
Auch in den saarländischen und lothringischen Industriebetrieben nahm die Verwen¬
dung elektrischer Energie, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung nach Kriegs¬
ausbruch, als Ersatzenergieträger vor allem für Petroleum einen stetigen Auf¬
schwung33. Die einzige Mühle in der Stadt Saarbrücken stellte nach einem Brand
26 Minister des Innern v. 11.09.1916 (Runderlaß), vgl. LA Sbr. Dep. Stadt Merzig Nr. 1947; die
Initiative des preußischen Innenministers muß in größerem Zusammenhang gesehen wer¬
den: Die unzureichende Energieversorgung im Krieg hatte zu weitreichenden Reorganisa¬
tionsplänen in der deutschen Elektrizitätswirtschaft geführt und die bereits vor dem Krieg
begonnene öffentliche Diskussion um das Für und Wider eines Reichselektrizitätsmonopo-
les erneut aufleben lassen, vgl. Siegel (1915), S. 423ff.; Die Zentralisierungsbestrebungen
in der Elektrizitätsversorgung, in: ETZ 37 (1916), S. 709ff.; Schiff (1916), S. 478ff.;
Klingenberg (1916), passim; dazu Reaktionen in der ETZ 37 (1916), S. 409,486,577,605,
714 und 38 (1917), S. 127, 229ff.; A sc hoff (1917); Fischer (1916); Thierbach (1917);
Grunenberg (1917); Hartmann (1917); Jung (1918), vor allem S. 21 ff.; Gothein
(1918), S. 323ff.; Jonghaus (1935), S. 37ff., 43ff.; Bruche (1977), S. 55ff.; zur Bewertung
aus marxistischer Sicht vgl. Nuß bäum (1968), S. 166ff. Als Folge der geäußerten Kritik
an den unzureichenden Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Energieversorgung erschie¬
nen die Bekanntmachung des Reichskanzlers über Elektrizität, Gas, Dampf, Druckluft,
Heiß- und Leitungswasser vom 21.06.1917 sowie die Bekanntmachung vom 03.10.1917, die
die Befugnisse des Reichskanzlers auf diesem Gebiet an den Reichskommissar für die Kohlen¬
verteilung übertrug. Im Gegensatz zum Reichselektrizitätsmonopol wurden die Auswir¬
kungen eines Reichspetroleummonopols als wesentlich geringer erachtet, da durch die er¬
hoffte und erwartete Ausbreitung der Elektrizitätsversorgung das Petroleum als Brennstoff
rasch zurückgedrängt würde (Trenkhorst, 1913, S. 85ff.). Die stündlichen Lichtkosten
für eine 25kerzige Lampe betrugen bei Petroleum 2,0 Rpfg., bei Gas 0,5 Rpfg. und bei elektri¬
schem Strom 0,75 Rpfg. (Petroleummonopolfrage, 1914, S. 426).
27 Vertrag mit dem Gaswerk vom 30.03./15.04.1914 (LA Sbr. Dep. Stadt Merzig Nr. 689); ge¬
genüber der Gasbeleuchtung brachten die elektrischen Straßenlampen nach einer Vorausbe¬
rechnung vom 28.02.1914 eine Ersparnis von rund 27.000.- M pro Jahr (vgl. ebd. Nr. 690);
Vertrag mit dem Kreis vom 12./23.06.1914 (ebd.).
28 Vgl. LA Sbr. Dep. Stadt Merzig Nr. 1947, Landrat von Merzig v. 01.08./.10.08.1917.
29 Ebd. Dep. Berus-Bisten Nr. 16, 06.12.1915, 25.05.1916.
30 Ebd. Best. Landratsamt Merzig Nr. 49, Betriebsabrechnung für 1917.
31 KreisA SLS IV/c-8, Becker-Gesellschaft v. 09.06.1913, 27.12.1916.
32 Loewe (1931), S. 245.
33 Vgl. allg. Simmersbach (1915), S. 580ff.
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