Dorfes. Bis zu drei Mönche wohnten in einer (runden oder rechteckigen) Hüt¬
te“364. Man muß es sich auch hier verbieten, allein an naheliegende Einflüsse des
irofränkischen Mönchtums zu denken, wissen wir doch recht wenig über die
Wohnformen von kontinentalen Klerikergemeinschaften der Merowingerzeit.
Immerhin zeigen uns Beispiele aus der Welt des spätantiken Juramönchtums und
des martinischen Mönchtums, daß ähnliche Formen auch auf gallischem Boden
heimisch waren: „In der Vita des hl. Martin beschreibt schon gegen 400 Sulpicius
Severus das neue Großkloster von Tours. In einem durch Mauern abgesicherten
Bereich lebten die Mönche in Hütten, die sich an diese Mauer anlehnten, während
in der Mitte des Raumes ein zweigeschossiges Haus gestanden hat, das unten die
Zellen Martins und einiger seiner Mitbrüder enthielt, oben aber einen gemeinsa¬
men Speiseraum. Eine kleine Kirche und bald mehrere lagen benachbart. Es gab
Grabkapellen, später Reliquienkrypten. Das Ganze machte mehr den Eindruck ei¬
nes Dorfes, einer Siedlung als den eines Klosters ... Allein die Mauer grenzte den
Bereich als einen geheiligten aus. Das Tours des hl. Martin war ein ,Klosterkralc
mit einem römischen Steinhaus in seiner Mitte“364a. Ganz ähnlich muß man sich
das Kloster Condate (St. Claude) im Jura in seinem ursprünglichen Zustand vor¬
stellen. Wir erfahren nämlich aus der Vita des Abtes Eugendus, daß er die Bau- und
Lebensform, in welchen die Mönche unter seinem Vorgänger Lupicinus verblie¬
ben waren, mißbilligte und umwandelte. Diese alten Formen waren an einer aus
dem Orient importierten, halbzönobitischen Lebensweise orientiert. Nach Mei¬
nung des Eugendus sollten jedoch alle Mönche in Gemeinschaft leben. Man reißt
die Zellen der Vorzeit ab: „Als die einzelnen Häuser vernichtet waren, bestimmte
er, daß nun alle Mönche in einem Gebäude mit ihm ruhen sollten. Wie bereits ein
Speiseraum alle vereinigte, so sollten auch die einzelnen Schlafstätten in einem
Raum vereinigt sein. “ Der Bericht über einen späteren Brand lehrt, daß auch das
neue Gebäude in Holz ausgeführt war364b.
Die älteste Kirche in Tholey war ein einfacher, in römischen Ruinen errichteter
Saalbau. In der Mitte des 8. Jahrhunderts ist (vielleicht nach Echternacher Vorbild)
ein Rechteckchor angefügt worden365. Der Bearbeiter der baugeschichtlichen Be¬
funde an der Tholeyer Abteikirche, F. J. Reichert, hat den Chorbau in Zusammen¬
hang mit einer später in Tholey befindlichen Handschrift des achten Jahrhunderts
aus Echternach366 gebracht und beides als Indiz der Monastisierung Tholeys unter
364 Kolling, Grabungen 37 ff.; Schindler, Mönchszelle 359 ff.; Herrmann, Entwicklung
377. Vgl. Braunfels, Klosterbaukunst 34 f.
364aBraunfels, Klosterbaukunst 30.
364bVita S. Eugendi c. 170. 162 ed. Frank, Mönchtum 165. 163.
365 Reichert, Baugeschichte 58 ff.; Vgl. Reichert, Geschichte 29 ff. Der Argumentation
Reicherts (S. 18 ff.), daß die Wendung des Grimo-Testaments loca sanctorum aedificavi
einen Bauakt Grimos nicht einschlösse, kann ich nicht folgen. Für die Einrichtung einer
Kirche des frühen 7. Jhs. in einem römischen Bau sind die Verhältnisse bei St. Kolumba
in Köln aufschlußreich. Dort hat man ein römisches Haus unter Einrichtung einer neuen
Apsis für christliche Kultzwecke genutzt. Vgl. Seiler, Ausgrabungen 97 ff.
366 Reichert, Baugeschichte 62 f. Vgl. zu dieser Handschrift Dold, Handschriftenreliquie
125 ff.; Herrmann, Klosterbibliotheken 28.
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