Vier dieser Namen (kursiv) finden sich nicht in den Verduner Bischofslisten182.
Wie kam der Redaktor der Abtsliste zu seinen offensichtlich apokryphen Informa¬
tionen? Die Genese der Tholeyer Bischofslegende läßt sich in groben Zügen nach¬
vollziehen:
Im Widmungsschreiben seiner Fortsetzung der Verduner Bischofschronik an Bi¬
schof Albero von Verdun schrieb Laurentius von Lüttich 1144 im Bestreben, die
alten und fast verschollenen Traditionen des Bistums festzuhalten183:
... Fratres Theologü monasterü dicunt de suo coenobio sex monachos vel abba-
tes vestrae ecclesiae episcopos datos ...
Welche Personen können die Tholeyer Mönche im 12. Jahrhundert für Bischöfe
von Verdun gehalten haben?
Aus Berthars ,Gesta episcoporum Virdunensium* konnten sie bereits seit 916/17
lernen, daß Paulus von Verdun als Mönch aus dem Kloster kam, wenn nicht Bert-
har hier sogar eine in Tholey entstandene Tradition widergibt184. Welche Quellen
hatten sie sonst noch? Aller Wahrscheinlichkeit nach doch ihre Abtsliste, die ihnen
weitere sechs echte Verduner Bischöfe als Tholeyer Abte präsentierte. Nun wußte
man aber durch Berthar, daß einer dieser Bischöfe, nämlich Hildinus, zweifelsfrei
nicht aus Tholey, sondern de Alemannia kam, also offenbar erst als Bischof von
Verdun auch Abt des saarländischen Klosters wurde185. So läßt sich die Sechszahl
der fratres Theologii monasterü erklären.
Als der Verduner Archidiakon Richard de Wassebourg es im 16. Jahrhundert un¬
ternahm, die Frühzeit des Verduner Bistums zu rekonstruieren, kannte er die Tho¬
leyer Abtsliste nicht, wohl aber die Bemerkung des Laurentius von Lüttich. Er hat
die Angabe, sechs Verduner Bischöfe seien teils Tholeyer Abte, teils Tholeyer
Mönche gewesen, kurzerhand, aber in ,gerechter* Verteilung auf die Nachfolger
des Bischofs Paulus von Verdun und diesen selbst bezogen: Drei von ihnen machte
er zu Äbten - Paulus (in Anlehnung an die ihm bekannte , Vita S. Pauli*), Gereber-
tus, Armonius - drei ließ er als Mönche nach Verdun wandern: Gisloaldus, Berta-
lamius, Abbo186. Vielleicht sind Wassebourgs Konstruktionen nicht ganz unab¬
hängig von den zwischen 1487 und 1564 erneuerten Versuchen der Verduner Bi¬
schöfe, Tholey noch einmal an sich zu binden187.
Einige Jahrzehnte zuvor hatte der Redaktor der Tholeyer Abtsliste *Y die Zahl der
Tholey-Verduner Abtbischöfe erheblich vermehrt. Anlaß dazu kann der episco-
p«5-Titel für einige Äbte des 9. Jahrhunderts in seiner Vorlage gewesen sein, den
182 Vgl. MG SS XIII 307; Duchesne, Fastes III 66 ff.; Leclercq, Verdun 2952 ff.
183 MG SS X 489. Vgl. dazu Lager, Tholey 361 f. Zu Laurentius: Manitius, Geschichte II
358 ff.
184 Vgl. u. S. 65.
185 Vgl. u. S. 129.
186 Wassebourg, Antiquitez, F. XCIIv-XCVIr. XCIXV-CV. СИГ-CVIr. CVIIIr-CXv.
CXIXV - CXXV. CXXIV - СХХ1Г.
187 Vgl. Hübinger, Urkunde 264.
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