dem er nun Pirmin zum Gründer von Tholey werden ließ39 und zu seinem Schüler
den hl. Wandalin machte40, den Pirmin angeblich zum ersten Abt des Klosters ein¬
setzte. Nach dem ,Compendium‘ war Wandalin/Wendalin nur Mönch in Tholey
gewesen41. Diese erweiterte Tradition hatte Trithemius aus der Legendenüberlie¬
ferung des hl. Wandalin übernommen; die im Augsburger ,Wenzelspassional‘ von
1471 gedruckte Wendelslegende nennt den Heiligen zuerst als Abt von Tholey42.
Die Tradition der Tholeyer Mönchschaft des Wandalinus hatte sich jedoch schon
vor 1200 gebildet, wie ein zeitgenössisches Lektionar nahelegt, nach dem die Reli¬
quien des sanctus Wendalinus am Freitag vor Pfingsten in feierlicher Prozession
nach Tholey transferiert wurden43. Bruschius weiß, daß Vendalinus ... Theolo-
giensis Monachus war und ersetzt mit einer vorsichtigen Bemerkung den aus der
,Vita S. Pauli' in die Liste A als ersten Abt gelangten unbekannten Lehrer des hl.
Paulus in Tholey44 durch den saarländischen Heiligen: Primi nomen intercidit; etsi
sint, qui S. Vvendelinum pro primo Abbate buius loci habeant.
Im Anschluß an Trithemius wieder, der selbst die ,GestaTreverorum‘ ausschrieb,
läßt er den hl. Paulus, zunächst Eremit bei Trier, in Tholey zweiten Abt des jungen
Klosters werden45. So wie er weiß, daß in Tholey die Gebeine des unglücklichen
39 Trithemius, Ann. Hirs. II 13 132. 161. Trithemius beruft sich für seine Angaben auf eine
Vita Pirmins. Die beiden erhaltenen Vitae des Gründers von Hornbach enthalten jedoch
nichts dergleichen. Gleichwohl hat Trithemius mit seiner Erfindung einen langanhalten¬
den Erfolg gehabt, ebenso wie mit der Amorbacher Pirminslegende (vgl. Büttner, Amor¬
bach 102 ff; Arnold, Trithemius 159). Die ,Annales Hirsaugienses' wurden zwar erst
1690 gedruckt, obwohl sie bereits 1509 bis 1514 entstanden waren; sie müssen gleichwohl
bald in gelehrten Kreisen zirkuliert haben, denn Nachrichten wie die Tholeyer Grün¬
dungslegende wurden begierig aufgenommen (vgl. Arnold, Trithemius 149 ff.). So wird
sie auch von Johannes Egon (t 1643) in seinem ,Liber de viris illustribus Augiae Divitis'
kolportiert (Pez, Thesaurus I, 3, 713 f.); davor noch beruft sich der Trierer Historiker
Christoph Brouwer (vgl. u. S. 31) um 1609 explizit auf Trithemius und dessen angebli¬
che Vita (narrat ex originali volumine vitae ipsius ...) und sieht Trithemius durch dessen
Zeitgenossen Paulus Voltius, Abt von Hugshofen (Elsaß) und Freund des Erasmus von
Rotterdam, bestätigt, der Trithemius ausschreibt, aber die zeitliche Differenzierung
Brouwers vorbildet. Vgl. May, Kritik 267. 284 f.; G. Knod, in: ADB XI (1896) 284 f
Brouwer hat nämlich feinere chronologische Einsichten, die ihm erlauben, Pirmin in das
8. Jh., also um ein Jahrhundert nach der Gründung Tholeys zu setzen. Konsequent faßt er
die Nachricht über das Wirken Pirmins in Tholey auch nicht als fundatio, sondern als Re¬
formeingriff auf. Die Grundlage seiner Anknüpfung scheint ihm der von A korrupt über¬
lieferte Abtsname Buermerus (vgl. u. S. 50 Nr. 12) mit seiner sprachlichen Nahe zum
Namen Pirmins geboten zu haben. Die Notiz Brouwers zu Pirmin hat wiederum - wir
wissen nicht woher - der Zweibrücker Geschichtsschreiber Crollius neben Johannes
Egons Bericht gekannt (Origines Bipontinae I 48).
40 Trithemius, Ann. Hirs. I 13. 14.
41 Trithemius, Compendium ed. Freher, lib. I, S. 54.
42 Selzer, St. Wendelin 84 ff. 130 ff.
43 Stock, Abtei St. Mauritius 16. Zu Tholeyer Wendalinustraditionen und zur Formung sei¬
ner Legende im Zusammenhang mit dem Kloster Tholey vgl. Lager, Tholey 350 ff.;
Haubnchs, Basenvillare 11 ff. 61 ff. Im 18. Jahrhundert ist die Legende von des hl. Wan¬
dalin Tholeyer Abbatiat fest verankert, wie die Angabe in der Abtsliste E (Calmet) - S.
V'andelin, vers l'an 624 - bzw. der reiche Text in F (Gallia Christiana) bezeugen.
44 Vgl. u. S. 56.
45 Vgl. u. S. 68.
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