7. Frodoinus (Crodouuinus, Croduinusf19 (vor 662/75- nach 682/83? vor 687):
Die Abtsliste Tholeys hielt diesen Abt in romanischer, das Nekrologium in alt¬
hochdeutscher Namensform, wenn auch merowingischer Orthographie, fest.
Man wird wohl mit einer bilingualen Situation im Kloster des späten 7. Jahrhun¬
derts rechnen müssen519 520. Vielleicht war Frodoin selbst Romane. Träger seines Na¬
mens waren im späten 7. und 8. Jahrhundert im Waldland des Vogesenrandes (cella
Frodoni = Froville ö. Bayon)521 und im Waldland östlich von Tholey (1313 Vro-
densvilre = Frutzweiler, Krs. Kusel)522 im Landesausbau tätig. Es ist möglich, daß
der Tholeyer Abt mit Abt Chrodoin von Weißenburg (vor 682/83-vor 687)523
identisch ist, dessen Nachfolger Ratfrid offenbar in die Verwandtengruppe um
Adalgisil Grimo einzuordnen ist524.
Die Bedeutung des Crodowin/Frodoin für Tholey erhellt aus der Tatsache, daß
das Nekrologium ihn als einzigen Abt vor der Mitte des 9. Jahrhunderts aufführt.
Das Tholeyer Nekrologium (9. Mai) gewährte ihm, hier vielleicht auf einem Grab¬
stein beruhend, den zusätzlichen Titel episcopus^25. Im Falle seines Vorgängers und
Onkels hatten die Überlieferungen von Beaulieu und Verdun das episcopus-Amt
festgehalten526. Beide voneinander unabhängige Traditionsstränge stützen sich.
519 Vgl. o. S. 48 Nr. 7.
520 Die Chraudingus-Sage hielt fest, daß Chraudingus mit zwei discipuli aus Tholey nach Beau¬
lieu zog (AA SS Sept. V 514 C). Später setzt er einen seiner Schüler Stephanus nomine, plus
ceteris religiosae deditus vitae ac regularis disciplinae insignitus vigore, zum Nachfolger in Beau¬
lieu ein (eod. 516 E). Wenn wir in Stephan einen der Tholeyer Begleiter Chraucfings sehen
dürfen, so hätten wir damit einen — zugegebenermaßen schwachen — zusätzlichen Hinweis
auf Romanen im Tholey des 7. Jhs.
Auch der dritte Abt scheint — wenn wir der auf Quellen aus Beaulieu beruhenden ,Histoire
manuscrite du célèbre monastère de Saint-Maurice de Beaulieu-en-Argonne‘ des Dom Pierre
Baillet (1711/12) glauben dürfen —einen romanischen Namen, nämlich Desiderius, getragen
zu haben. Vgl. Roussel, Hist. Verdun II 195 ff.
521 Büttner, Erschließung 385.
522 Pöhlmann, Kopialbuch Mauchenheimer Nr. 36; vgl. Christmann, Siedlungsnamen I 171.
523 Es ist von Interesse, daß an Abt Chrodoin der dux Theotharius zusammen mit seinem Sohn
Theothard schenkt. Weißenburg hatte zu dieser Zeit offenbar Verbindungen, die ins Mosel¬
land reichten, wo Theothars Verwandtenverband, den man sich angewöhnt hat, die Irmina-
Sippe zu nennen, vorwiegend agierte Vgl. Glöckner/Doll, Traditiones Wizenburgenses Nr.
213 (682/83). Die namengebende Persönlichkeit Irmina, Gründerin des Trierer Klosters
Oeren und Nichte des dux Theotharius, soll sogar in Weißenburg begraben worden sein. Vgl.
Hlawitschka, Vorfahren 75 Nr. 12. Ein Bischof Theothard von Lüttich, den man diesem Ver¬
wandtschaftsverband im allgemeinen zurechnet, und der wie die Weißenburger eng mit der
Reichsregierung Childerichs II. (662-675) zusammenarbeitete, z. B. 669/70 auch zusammen
mit den Weißenburgern Gundoin dux und Hodo domesticus bei der Neuabgrenzung des
Bezirks von Stablo, wurde 669/75 im Bienwald (bei Rülzheim, Kr. Germersheim?) zwischen
Speyer und Weißenburg ermordet, was wohl politische Interessen dieses Mannes in jener
Region voraussetzt. Ihn nat man später wie Irmina in Weißenburg verehrt. Vgl. Werner, Lüt¬
ticher Raum 100 ff. 236 ff. Die aufgezeigten Beziehungen Weißenburgs zum moselländi¬
schen Norden werden speziell für die Familie des Adalgisil Grimo ergänzt, wenn in der
Schenkung des Theotharius dux als Nachbar des verschenkten Gutes zu Marsal ein Bobo
erscheint. Diesen Namen trugen Verwandte Grimos (vgl. o. S. 77 f.).
524 Vgl. o. S. 118.
525 Vgl. o. S. 16.
526 Vgl. o. S. 106 f.
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