Moyenmoutier oder Chorbischof wie der etwas spätere Pirmin war, das bleibe da¬
hingestellt471®. Gegen den Bischof Chraudingus und gegen eventuelle Verselbstän¬
digungstendenzen in Beaulieu an der Westgrenze der Diözese richtete sich die re¬
servatio der bischöflichen Rechte in der Childerich-Urkunde.
Es spiegelt sich hier sogar ein im 7. Jahrhundert entfalteter Konflikt zwischen iro-
fränkischem Mönchtum und fränkischem Episkopat wider. Das irofränkische
Mönchtum suchte den Bräuchen der irischen Heimat entsprechend auch für seine
kontinentalen Gründungen die volle Exemtion, auch von der Gewalt des DiÖze-
sanbischofs, zu erreichen. Irische Klöster und ihre irofränkischen Gegenstücke
auf dem Kontinent besaßen oft eigene Klosterbischöfe, welche die notwendigen,
im Kloster anfallenden Pontifikalien, wie Weihe von Altären und Chrisma, Ordi¬
nation der kirchlichen Grade und Abtsweihe, vornehmen konnten. Konsequen¬
terweise läßt sich etwa das Kloster Rebais nach dem Muster von Columbans Grün¬
dung Luxeuil 635/36 die Unabhängigkeit vom Diözesanbischof bestätigen. Der
zuständige Bischof Burgundofaro von Meaux bestätigt 637/38 et si eis opportunum
fuerit tabulas benedicere, aut chrisma consecrare, vel sacros ordines percipere, a
quocumque spirituali pontifice decreverint, licentiam habeant expectandi et expli¬
candi... Diese Bestimmung wird noch 668/75 von Bischof Numerian von Trier in
seinem Privileg für St. Dié und dessen episcopus Deodatus nahezu wörtlich über¬
nommen: ... et si eis opportunum fuerit ecclesiam benedicendam et sacros ordines
percipiendos, a quocumque pontifice decreverint, licentiam habeat expetendi... Je¬
doch zeigt sich in anderen bischöflichen Klosterprivilegien, auch in den,Formulae
MarculfP - und zwar hier in Formularen für königliche Privilegien -, schon bald
der Versuch, die benedictiones und das Recht des percipere sacros grados für den
Ordinarius der Diözese zu reservieren. Ausdrücklich hat das Privilegium des Bi¬
schofs Bertoendus von Châlons-sur-Marne für das Beaulieu benachbarte Montier-
en-Der 692 die Formeln der Urkunden für Rebais und St. Die aufgenommen und in
die umgekehrte Richtung gewendet: et si eis opportunum fuerit abbatem benedi¬
cendi, aut erisma consecrandi, vel sacros ordines percipiendi, hoc tantum modo no¬
bis propter canonicam institutionem et prejudicium ecclesie nostre absque ullo motu
reservamus472. In diese Entwicklung gehört das Königsdiplom Childerichs II. für
Beaulieu, von dem Richard von St. Vanne z.T. mit wörtlichen Anklängen an die
aufgeführten Formeln berichtet: et ipsam abbatiam sua regia defensione munitam,
ab omni prorsus externo servitio liberam et immunem esse constituit, reservato Vir-
dunensium pontifici, cujus dioecesi continetur, respectu sacrorum Ordinum et bene¬
dictionis.
471aVgl. Frank, Klosterbischöfe 109 ff.
472 Privilegien mit Ausklammerung der Rechte des Diözesans: MG DD Mer. I Nr. 15 (Da¬
gobert I für Rebais, 635/36 X 1); Pardessus, Diplomata II Nr. 275, S. 39 f. (Bischof Bur¬
gundofaro von Meaux für Rebais, 637/38 III 1); Nr. 360, S. 148 (Bischof Numerian von
Trier für St. Dié, 668/75). Privilegien mit Reservat der Diözesanrechte: MG Formulae
Marculfi 1,1, S. 39; II1, S. 72; Pardessus, Diplomatali Nr. 423, S. 222 (Bischof Bertoen¬
dus von Chälon-sur-Marne für Montierender, 692 II 15). Vgl. Frank, Klosterbischöfe 9
ff. ; Ewig, Trier 130. Vgl. ferner zum Problem der bischöflichen Weihehandlungen in den
merowingischen Bischofsprivilegien: Ewig, Beobachtungen 416 ff.; Ewig, Formular
464 f. ; Ewig, Privileg 551 ff.
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