Full text: Bildungspolitik im Saarland

und auch in Hinblick auf die wirtschaftliche Lage auf verhältnismäßig große Schwierig¬ 
keiten stoßen mußX(,%. Im Herbst 1947 spitzte sich die Personalsituation an den saarländi¬ 
schen Schulen derart zu, daß ein Einlenken in der Entnazifizierungsfrage seitens der mili¬ 
tärischen und zivilen Behörden unvermeidlich war. So war die Ankündigung des Amtli¬ 
chen Schulblattes vom 20. September/5. Oktober 1947, daß eine nochmalige Überprü¬ 
fung aller Epurationsbescheide beabsichtigt sei168 169, für Eingeweihte keine Überraschung 
mehr, zumal Straus schon vorher in internen Diskussionen mit Mittelschullehrern ange¬ 
kündigt hatte, daß recht bald ein dicker Strich unter die Vergangenheit gezogen würde170 171. 
6.4 Einsetzende Normalisierung 
Eine Kurskorrektur in der Entnazifizierung der saarländischen Lehrerschaft war aber 
nicht nur wegen der prekären schulischen Situation dringend geboten, sie war auch not¬ 
wendig infolge der am 15. April 1947 verkündeten Rechtsverordnung der Militärregie¬ 
rung in Baden-Baden zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus, die, wie 
in der amerikanischen und britischen Zone schon seit Sommer 1946, nun auch im ge¬ 
samten französischen Kontrollbereich die rigiden Praktiken der Jahre 1945 und 1946 be¬ 
endete und grundsätzlich nur noch Sühnemaßnahmen verhängte, wenn Personen in der 
Zeit des Dritten Reiches ihre Stellung gegenüber ihren Mitmenschen mißbraucht haben, 
oder ... ihre Verbindung zur NSDAP ausgenutzt haben, um Stellungen zu erreichen, zu 
denen sie sachlich nicht qualifiziert warenX7X. Diese generelle Richtschnur war zwar sehr 
dehnbar formuliert, aber gerade diese scheinbare Schwäche gestattete es der Militärregie¬ 
rung, ohne Gesichtsverlust eine allgemeine Milderung der politischen Säuberung einzu¬ 
läuten. Anzustreben war allerdings eine Wendung, die umfassend und im Grunde im 
Rahmen einer rechtlich glaubwürdigen Amnestie vollzogen werden mußte, weil die noch 
nicht abgeurteilten schweren Verfehlungen im Zuge der nun praktizierten Spruchkam¬ 
merverfahren mit zum Teil geringeren Strafen geahndet worden wären als minderes 
Schuldverhalten während des Dritten Reiches, das aufgrund der harten Bestimmungen 
aus dem Jahre 1945 bereits durch die rechtskräftigen Urteile der Säuberungsausschüsse 
bestraft worden war. Die nun zuständigen Spruchkammern wurden in ihren Spitzen mit 
juristisch vorgebildeten Mitgliedern besetzt, so daß der Eindruck willkürlicher Entschei¬ 
dungen, den die Säuberungsausschüsse allzuoft hinterlassen hatten, allmählich ver¬ 
schwand. Zum Staatskommissar für die politische Säuberung und zum Vorsitzenden 
einer letztinstanzlichen obersten Spruchkammer ernannte die Militärregierung den Se¬ 
168 Straus an Grandval vom 4. 3.1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, 
ZII-A2g 1945-1947. 
169 Amtliches Schulblatt für das Saarland Nr. 18/19 vom 20. 9-/5. 10. 1947, S. 29. Am 1. 12. 1947 
bat Straus in einer Rundverfügung alle Lehrkräfte, die einen Epurationsentscheid mit einer Sank¬ 
tion erhalten haben,... die Originale des Epurationsentscheides zwecks Überprüfung sofort auf 
dem Dienstwege zuzusenden. Zitiert nach E. Bopp, S. 17. Der Autor nennt die Herkunft der 
Quelle nicht. 
170 Schreiben R. Bauer, Leiterin der Saarbrücker Mittelschule für Mädchen, an Müller vom 12. 9. 
1947. LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Allgemeine Verwaltung, Z II - A 2 g 1945 - 1947. 
171 Zitiert nach Ausführungen des Staatssekretärs im saarländischen Innenministerium Edgar 
Hector vor dem saarländischen Landtag im Rahmen seiner Erläuterungen des Gesetzes über den 
Abschluß des politischen Säuberungsverfahrens am 27. Januar 1951. Landtag des Saarlandes, 
Stenographische Berichte, 95. Sitzung vom 27. 1. 1951, S. 462. 
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