Full text: Bildungspolitik im Saarland

für die Koordination der französischen Deutschlandpolitik zwischen Paris und Baden- 
Baden zuständig wurde und dabei auch erhebliche Einflußmöglichkeiten auf die Schulpo¬ 
litik erhielt. Mit Bidault und Schneiter, führende Politiker des christlich-sozial orien¬ 
tierten Mouvement Républicain Populaire (MRP), ist jene einflußreiche Gruppe ange¬ 
sprochen, die aufgrund von starken kirchlichen Bindungen in einer entschieden ableh¬ 
nenden Position zu den laizistischen bildungspolitischen Auffassungen eines General 
Schmittlein verharrte. Zu ihr zählten auch der Generalsekretär im Commissariat aux Af¬ 
faires Allemandes et Autrichiennes, Michel Debré162, sowie Alain Poher163. Poher wurde 
im Jahre 1948 zum Commissaire général des Commissariats ernannt, als Robert 
Schuman, der als einer der zähesten und erklärtesten Befürworter kirchenfreundlicher 
Schulstrukturen in Frankreich bekannt war164, bereits einige Monate Außenminister war. 
Entschiedene Verfechter eines säkularisierten Bildungswesens kamen dagegen aus dem 
Lager des französischen Sozialismus. Ihre Motive wurzelten allerdings nicht in der Fort¬ 
schrittsgläubigkeit und dem Antiklerikalismus der Dritten Republik, sondern in der Vor¬ 
stellung eines „revolutionären Humanismus“165, den sie zur Zeit der Résistance als An¬ 
hänger einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ideell entwickelt hatten. Mit ihrem so¬ 
zialkritischen Ansatz stellten sie vor allem das egalitäre Prinzip in den Vordergrund und 
bildeten damit in der Reformdiskussion um die Schule jene Fraktion im Nachkriegsfrank¬ 
reich, die im Interesse einer „révolution sociale” für eine weitgehende Demokratisierung 
des Schulwesens eintrat, womit sie sich eindeutig gegen das harte Auswahl- und Lei¬ 
stungsprinzip der Vergangenheit und gegen Bildungsprivilegien bürgerlicher Mittel¬ 
schichten wandten. In der französischen Besatzungsarmee wurde insbesondere General 
Émile Laffon, Administrateur général in Baden-Baden, mit solchen Ideen in Verbindung 
gebracht, obgleich er nicht Mitglied einer entsprechenden Partei war. Seine sozialistischen 
Neigungen brachten ihn in einen scharfen Gegensatz zu Koenig und Schmittlein. Laffon, 
der im Unterschied zu Koenig und Schmittlein zur Résistance im Inland gehört hatte und 
dem man eine technokratische Denkweise nachsagt, quittierte im November 1947 seinen 
Dienst in Baden-Baden. Sein Abgang wurde in Frankreich als Niederlage der Linken emp¬ 
funden166. Erklärter Anhänger sozialistischer Bildungsgrundsätze war auch Marcel-Ed¬ 
mond Naegelen, gebürtiger Elsässer und vorübergehend Erziehungsminister, und der Ge¬ 
neralinspekteur im französischen Unterrichtsministerium César Santelly, der freilich zu 
der Minderheit im sozialistischen Lager zu rechnen ist, die in den ersten Nachkriegsjahren 
mit zweifelhaften psychologischen Herleitungen gegen die Deutschen polemisierte. Nae¬ 
gelen und Santelly hatten nur einen geringen Einfluß auf die bildungspolitischen Entschei¬ 
dungen und Maßnahmen der Militärregierung in Baden-Baden. 
162 Debré wurde im Laufe der 2. Hälfte des Jahres 1946 als Nachfolger von Alain Savéry zum Gene¬ 
ralsekretär des Commissariats bestellt. Gleichzeitig übertrug man ihm die Zuständigkeit für saar¬ 
ländische Angelegenheiten. Schreiben Debrés an den Vf. vom 29. 7. 1977. Darin präzisierte er 
auch seinen Standpunkt in der Schulfrage. Die sogenannte Unterdirektion Saar wurde erst im 
November 1947 eingerichtet. 
Ié3 Persönliche Mitteilung F. Lussets vom 19. 9. 1979. 
164 Vgl. J. Rovan, Kampf, S. 108. 
165 G. Ziebura, S. 26. 
166 Persönliche Mitteilung J. Vaillants vom 19. 9. 1979. 
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