Ihre Auswirkungen lassen sich in Gestalt flankierender Maßnahmen auch auf dem Gebiet
des öffentlichen Bildungswesens nachweisen. Dabei ging es Frankreich, als beteiligte Be¬
satzungsmacht mit gesetzgebender und administrativer Autorität in seiner Zone ausge¬
stattet, weniger um die Instrumentalisierung des bestehenden Bildungswesens als viel¬
mehr um die gezielte Förderung einer etablierten Elitebildung universitärer Art, die dann
im Sinne französischer Zielvorstellungen einer von preußischen „Fremdeinflüssen“ be¬
freiten und der christlich-humanistischen und aufklärerischen Bildungstradition des
westlichen Abendlandes geneigten geistigen Führungsschicht im rheinisch-pfälzischen
Raum den Weg ebnen sollte. Die Wiederbegründung der Universität Mainz im Jahre 1946
ist ebenso eindeutig dieser Intention entsprungen102 wie auch das geplante aber aus fiska¬
lischen Erwägungen gescheiterte Wiederaufleben der trierischen Universitätstradition103
und die im Jahre 1948 gegründete Universität Saarbrücken104. Zusammen mit den über¬
lieferten Universitäten Tübingen und Freiburg war hier ein Netz universitärer Bildung ge¬
plant, das sich gleichmäßig über das Einflußgebiet Frankreichs erstreckte. In Verbindung
mit der am 11. Januar 1947 gegründeten Verwaltungsakademie in Speyer als spezieller
Ausbildungsstätte für den höheren Verwaltungsdienst und der Dolmetscher-FIochschule
in Germersheim105, die allerdings im Gegensatz zur heutigen Hochschule für Verwal¬
tungswissenschaften Speyer im Jahre 1948 auf französische Weisung hin in die Univer¬
sität Mainz eingegliedert wurde106, wirkte Frankreich auf ein bis dahin ungewöhnlich
vielfältiges und dichtes Angebot elitärer Bildung in seiner Besatzungszone hin. Frankreich
verstand also die Sicherung seiner Ostflanke nicht nur machtpolitisch, sondern durchaus
auch als Aufgabe einer erzieherischen Mission, die freilich hochgradig von seinen natio¬
nalen Interessen her motiviert war. Damit unterschied sich die französische Bildungspo¬
102 Persönliche Mitteilung R. Chevals vom 19. 9. 1979. Bestätigt wird diese Aussage durch R.
Minder, Kultur. Vgl. auch H. Mathy, passim. Die Eröffnung der Universität Mainz wurde
mit Verfügung Nr. 44 der Militärregierung vom 27. 2. 1946 gestattet. Journal Officiel Nr. 17
vom 8.3. 1946, S. 136.
103 LHA Koblenz. Auskünfte über die Gründungsvorbereitungen einer Universität Trier in den
Jahren 1946/47 finden sich dort im Bestand 442 Bezirksregierung Trier. Danach hatte sich im
Herbst 1946 ein Gründungskuratorium konstituiert. Im Frühjahr 1947 lagen 200 Bewerbungen
für die Übernahme als Hochschullehrer vor und 3093 Einschreibungen von Studierwilligen
(Durchschlag eines Schreibens des Trierer Regierungspräsidenten an Oberspielleiter Mund in
Simmern vom 5. 5. 1947 (14144, Blatt 75) und Aktenvermerk Kulturdezernat Regierung Trier
Mai 1947 (14143, Blatt 225)). Die Pläne der Universitätsgründung zerschlugen sich, als die fran¬
zösische Militärregierung in Baden-Baden ihre ursprüngliche Unterstützungszusage (Schreiben
der Militärregierung Dét. F. 132 - AA/ EDU/568 — vom 8. 3.1946 (14144, Blatt 27)) zurückzog
und ihre Anstrengungen gänzlich auf den Aufbau der Universität Mainz konzentrierte (Akten¬
vermerk Kulturdezernat Reg. Trier-Az.: U-5a-vom 16. 12. 1947 (14144, Blatt 157)). Dieses
Verhalten Baden-Badens wurde von Paris aus kritisiert (Aktenvermerk Kulturdezernat Reg.
Trier vom 6. 9. 1947 (14144, Blatt 127 und 128)). Nach einer Auskunft von Herrn Prof. Dr. Dr.
E. Sauser (Trier) auf einer Tagung der Bischöflichen Akademie Aachen, die vom 9. - 11.5.1980
auf der Wildenburg in der Eifel stattfand, hat auch die Trierer Kurie gegen das Universitätspro¬
jekt votiert. ln der Chronik des Bistums Trier, die der damalige Generalvikar Dr. Heinrich
von Meurers verfaßt hat, finden sich auf S. 41 ( 12.4.1946) solche Hinweise nicht. Dort ist nur
von einer bevorstehenden Gründung der Universität Trier die Rede. In diesem Zusammenhang
wird von fünf beabsichtigten Neugründungen innerhalb der französischen Besatzungszone ge¬
sprochen. BA Trier, Abt. 105, Chronik 1946, S. 41.
104 Zur Gründung und Entwicklung der Universität Saarbrücken siehe Kapitel B. 11. (S. 114 ff).
Kb Arrêté Nr. 194 und Nr. 195 de l’Administrateur Général. Journal Officiel Nr. 52 vom 17. 1.
1947, S. 538 ff.
11,6 Ordonnance Nr. 225 du Commandant en Chef Français en Allemagne vom 4. 8. 1949. Journal
Officiel Nr. 293/294 vom 5. bzw. 9. 8. 1948.
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