gelegten Staatsexamen in Frankreich nur in geringem Umfang und in Deutschland nur be¬
dingt anerkannt.
ln den leidenschaftlichen Auseinandersetzungen um das Für und Wider des Saarstatuts
war der bildungspolitische Bereich nur ein Randthema. Gleichwohl war auch er ein Ge¬
genstand, der zum Protest gegen die politische Situation Anlaß gab. Angegriffen wurden
insbesondere bestimmte Studienpraktiken der Universität, der französische Sprachunter¬
richt in der Volksschule und die französischen Schulen in ihrer Eigenschaft als Bildungs¬
stätten für schulpflichtige saarländische Kinder. Obgleich diese Tatbestände das deutsch
geprägte Bildungswesen an der Saar kaum berührten und damit im Grunde eine wirklich
existierende Kulturautonomie bestätigen, trugen sie dennoch zur Mobilisierung des Wi¬
derstandes gegen den saarländischen Autonomismus und seine europäischen Ambitionen
bei. Damit zeigt sich, daß das Hoffmannregime in der Endphase seiner Herrschaft selbst
in den Bereichen ungenügenden Rückhalt fand, in denen es einen besonderen Anspruch
auf Selbstverwirklichung hätte geltend machen können.
Die zunächst schwache prodeutsche Opposition an der Saar hatte dagegen im Jahre 1955
eine starke Position erreicht, zu der nicht zuletzt die starke moralische Unterstützung bei¬
trug, die sie von Seiten der Bundesrepublik und ihrer öffentlichen Meinung erhielt. Zum
entschiedenen und kompromißlosen Anwalt einer wieder mit Deutschland vereinten Saar
machte sich hier der Deutsche Saarbund. Dabei prangerte er auch die Kulturpolitik an der
Saar an, die nach seiner Auffassung letztlich vom Ziel einer „pénétration culturelle“ be¬
stimmt sei. Damit steigerte er erheblich die in der Öffentlichkeit der Bundesrepublik ge¬
hegten Befürchtungen um das Deutschtum, die infolge einer verdeckten Romanisierungs-
politik beständen. Innerhalb der Bundesregierung fand der überparteilich organisierte
Deutsche Saarbund insbesondere durch den Minister für Gesamtdeutsche Fragen, Jakob
Kaiser, Unterstützung. Dieser wiederum befand sich im Gegensatz zu Bundeskanzler Ade¬
nauer, der die Lösung der Saarfrage ohne Gefährdung seiner europapolitischen Integra¬
tionsziele erstrebte. Der dadurch bewirkte Konflikt zwischen beiden Politikern über die
anzuwendende Strategie übertrug sich auch auf den Kultursektor. Kompromißlosigkeit
einerseits und geschmeidig gesuchte Einflußnahme andererseits läßt sich hier vor allem
mit Blick auf die Saaruniversität nachweisen.
Der 23. Oktober 1955 bedeutete keine Zäsur in der Bildungspolitik des Saarlandes. Die
verfassungsrechtlich verankerte Grundlage eines glaubensnahen Bildungswesens blieb
vorerst unangetastet, das in der Separationsfrage gespaltene christliche Lager ließ unge¬
achtet seiner konträren Positionen eine Entkonfessionalisierung der saarländischen
Schule noch nicht zu. Die im Saarland nach 1955 eingeleiteten Veränderungen auf dem
Bildungssektor wurden fast ausschließlich durch die Anpassung an die Bildungspolitik
der Bundesrepublik verursacht. Zugleich galt es aber, die gewachsenen kulturpolitischen
Verbindungen mit Frankreich so weit wie möglich zu erhalten. Es war selbstverständlich,
daß Frankreich nach seinem politischen Rückzug von der Saar sein kostenträchtiges kul¬
turpolitisches Engagement aufgeben wollte und mußte, ohne freilich die in zehnjähriger
Zusammenarbeit gewachsenen gemeinsamen kulturellen Anliegen aufzukündigen. Dazu
gehörten vorrangig der bevorzugte Stellenwert des französischen Sprachunterrichts in
allen Schulformen, die Existenz und Zukunft des gymnasialen Zweigs der Maréchal-Ney-
Schule in Saarbrücken und schließlich die Universität des Saarlandes, deren Pflege der
französischen Kultur- und Geisteswelt insbesondere durch enge Beziehungen zu dem neu
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