Full text: Bildungspolitik im Saarland

einer supranationalen Lösung der Saarfrage empfahl, und dies ist für die hier untersuchte 
Thematik wesentlich, unter anderem auch ein Kulturabkommen zwischen der Saar, 
Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland, dessen Hauptzweck es sein sollte, die 
deutsche Kultur und Sprache an der Saar in jeder Weise zu bewahren. Darüber hinaus 
stand in ihm die Anregung, die Saaruniversität in eine europäische Universität umzuwan¬ 
deln, deren Diplome von allen Mitgliedsstaaten des Europarates anerkannt werden94. 
Während Adenauer die Vorschläge van Naters als einen ungeheurer (sic) Fortschritt be- 
zeichnete, da die Leute an der Saar... vollkommen frei darüber (bezieht sich auf den Na- 
ters-Plan insgesamt) abstimmen (können), ob sie das wollen oder ob sie es nicht wollen95, 
war sich Kaiser im Gleichklang mit CDU-Politikern wie Altmeier und Zimmer sowie der 
überwiegenden Mehrheit der SPD, DP und FDP darin einig, daß der Naters-Plan, wie es 
Heinrich Schneider später einmal formulieren sollte, „völlig einseitig“ zugunsten Frank¬ 
reichs ausgefallen und darum strikt abzulehnen sei96. 
Die von Adenauer kalkulierte Möglichkeit, das Saarproblem im supranationalen europäi¬ 
schen Rahmen lösen zu können, läßt sich auch in seinen Konzeptionen für einen kulturpo¬ 
litischen Ausgleich mit der Saar erkennen. Während Kaiser und seine Mitstreiter jeden 
Kontakt zwischen der saarländischen und bundesdeutschen Bildungswelt zu sabotieren 
suchten, indem sie z. B. jedem deutschen Professor androhten, daß er seine Pensionsrechte 
verlieren würde, wenn er einen Ruf der Universität des Saarlandes annehmen würde97, 
ließ Adenauer schon um die Jahreswende 1952/53 durch seinen neuen Saarreferenten im 
Außenministerium, Rudolf Thierfelder98, Pläne und Vorschläge entwickeln, die im Falle 
einer Europäisierung der Saar auf eine gegenüber Frankreich gleichberechtigte Rolle der 
Bundesrepublik in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen und auf eine Festi¬ 
gung der Saar als Land deutscher Kultur im Rahmen starker kultureller Bindungen an die 
Bundesrepublik hinausliefen99. 
Dem Ziel enger kulturpolitischer Kooperation glaubte Thierfelder am besten durch einen 
Kulturverbund innerhalb der kommenden EVG-Staaten näher zu kommen, in dem die 
Bundesrepublik und die Saar zwar formell getrennt, in Sachen Kultur aber inhaltlich doch 
gemeinsam auftreten sollten. Die Zustimmung zu einer solchen Form der Zusammenar¬ 
beit verknüpfte er freilich mit einer Reihe von Vorbedingungen. Sie reichten von der For¬ 
derung, das saarländisch-französische Kulturabkommen aus dem Jahre 1948 aufzu¬ 
94 Dokument 225 der Assemblée Consultative des Europarates; deutsch nach „Allgemeiner Zei¬ 
tungsdienst West“, Jg. II, Nr. 94 vom 15. 7.1954, Dokumentationsteil, Blätter 1-9 (Revidierte 
Fassung des Naters-Plan vom 26.4. 1954). Zitiert nach R. H. Schmidt, Bd. 2, S. 764. 
95 Stenographische Niederschrift über die 2. Sitzung des Bundesparteivorstandes der CDU am 26. 
4.1954 zu Bonn, S. 129p. Adenauer machte diese Aussage in einer Antwort auf eine Stellung¬ 
nahme Altmeiers zur Saarfrage. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn. 
96 H. Schneider, S. 223. Siehe auch J. Freymond, S. 238. 
97 Interview Luitwin von Boch-Galhau vom 14. 3. 1978. Von Boch-Galhau beruft sich auf ein Ge¬ 
spräch mit Kaiser im Jahre 1953, in dem Kaiser zum Thema Abordnung bundesdeutscher Profes¬ 
soren nach Saarbrücken außerdem noch gesagt haben soll: Wenn einer geht, dann sorge ich 
dafür, daß er keine Pension erhält. 
98 Thierfelder war Nachfolger Gustav Strohms, den Adenauer von seinen Aufgaben als Saarreferent 
des Auswärtigen Amtes im März 1952 suspendierte. Strohm stand in der Saarfrage Kaiser und 
dem Saarbund nahe und war aus diesem Grunde Adenauer suspekt geworden. Vgl. dazu im ein¬ 
zelnen E. Kosthorst, S. 317 f. 
99 Die Herkunft der Quellen, auf die die nachfolgenden Ausführungen beruhen, kann leider nicht 
erwähnt werden. 
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