2.4 Provozierte Opposition durch politische Disziplinierungsmaßnahmen
Auf der Generalversammlung des katholischen Erzieherverbandes am 18. 11. 1953 in
Saarbrücken attackierte sein Vorsitzender, Peter Zenner, in einer öffentlichen Rede scharf
die
bekannte Tatsache, daß schon in den ersten Monaten dieses Jahres über eine Reihe von
Leuten aus der Lehrerschaft auf nicht amtlichem Wege geheime Informationen durch
dienstlich nicht verantwortliche Personen in zahlreichen, ja in hunderten von Fällen an¬
hand von bestimmten Bogen mit bestimmten Fragestellungen, vor allem bei der Volks¬
schullehrerschaft, stattgefunden haben. Es ist nicht bekannt geworden, von welcher Stelle
der Antrieb zu dieser Form der Information ausging. Aber es ist doch so, daß dieser Vor¬
gang eben das Gefühl der Sicherheit in der Lehrerschaft tief erschüttert hat, zumal, an¬
scheinend als Abschluß dieser Aktion, eine sehr erhebliche Zahl von Lehrern versetzt
werden sollte, daß dann doch eine immerhin bedeutungsvolle Zahl versetzt wurde und
daß auch zwei Entlassungen vorkamen56.
Die von Zenner heftig angegriffene Disziplinierung aus politischen Motiven wurde von
der Lehrerschaft in engem Zusammenhang mit den Landtagswahlen vom November
1952 gesehen57. Gemaßregelt wurden insbesondere beamtete Lehrer, die im Wahlkampf
offen ihre Sympathien für die verbotenen prodeutschen Parteien von DPS (Liberale), CDU
und DSP (Deutsche Sozialdemokraten) geäußert und die Legalität der Wahlen infrage ge¬
stellt hatten58. Zenner berichtet in seiner Rede darüber hinaus von Repressalien gegen
Junglehrer, die als Beamte auf Widerruf wegen illoyalen Verhaltens ohne... vorher gehört
worden zu sein und ohne ein rechtmäßiges Disziplinarverfahren gehabt zu haben, von
ihren Lehraufgaben entbunden worden seien59.
Die scharfen Proteste der Lehrerverbände und wohl auch die zahlreichen Vermittlungsbe¬
mühungen katholischer und evangelischer Geistlicher veranlaßten Hoffmann dann
schließlich, eine wohlwollende Prüfung der „Disziplinarfälle“ zuzusagen60. Die Folge war
die Rücknahme von getroffenen Maßnahmen im Einzelfall. Die Weigerung der Regie¬
rung, die Angelegenheit gänzlich zu bereinigen, sollte sich wie ein Bumerang für sie aus¬
wirken. Sie vergiftete nämlich nicht nur das Beziehungsklima zwischen ihr und der Leh¬
rerschaft vollends, sondern, und dies war für das Hoffmann-Regime viel nachteiliger, sie
machte einer verunsicherten Lehrerschaft endgültig bewußt, daß sie mit ihrer pädagogi-
56 Zitiert nach dem Manuskript der Rede, S. 6 f. Sammlung des Verbandes katholischer Erzieher
des Saarlandes, Ablage 1950 — 1956.
57 Bestätigt wird diese Feststellung in den Informationsschreiben des Vorsitzenden des Verbandes
Saarländischer Lehrer, Otto Früh, an Kirchenrat Wehr vom 29. 8. 1953. Dort heißt es, daß nun¬
mehr das Gerücht Tatsache geworden sei, daß die Wahlen des November 1952 gewisse Vergel¬
tungsmaßnahmen auslösen würden. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3.
58 Vgl. hierzu die in Anm. 57 angegebene Quelle. Vgl. hierzu auch H. Schneider, S. 391 f.
59 Wie Anm. 56 S. 7. Im Nachlaß Heinrich Schneider (Bestand Nr. 109) findet sich eine Notiz, der-
zufolge insbesondere Regierungsrat Erfurt (Leiter der Rechtsabteilung) und Ministerialdirigent
Braun für die politisch motivierten Disziplinierungsmaßnahmen verantwortlich zu machen
seien.
60 Vgl. dazu das gemeinsame Protestschreiben der saarländischen Lehrerverbände und des saarlän¬
dischen Beamtenbundes an Hoffmann in seiner Eigenschaft als Kultusminister vom 29. August
1953. Es befindet sich in Abschrift im Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3. Vgl. hierzu auch Schreiben des Kirchenrats Wehr an Früh vom 28. 9.
1953. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 15).
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