Full text: Bildungspolitik im Saarland

Wechselbezug zwischen den politischen Handlungsspielräumen des Saarlandes und den 
Entwicklungsmöglichkeiten einer europäischen Saaruniversität überhaupt. Da wäre zu¬ 
erst das Problem der Tradition zu erwähnen, das der Universität als wirklicher übernatio¬ 
naler Erziehungsstätte im europäischen Sinne entgegenstand. Es war einfach nicht zu er¬ 
warten, daß die aus umstrittenen politischen Motiven geborene Saaruniversität einen grö¬ 
ßeren Reiz auf junge nationalbewußte französische oder deutsche Studenten ausüben 
könnte als die ehrwürdige Sorbonne oder Heidelberg78. Dazu kam die „lokale“ Konkur¬ 
renz von Nancy, Straßburg und Mainz. Saarbrücken blieb, auch wenn der germanistische 
Studiengang eine beachtliche Zahl französischer Studenten und der romanistische Stu¬ 
diengang eine stattliche Zahl deutscher Studenten an die Saar lockte, im Grunde eine Uni¬ 
versität der Saarländer und damit faktisch eine Landesuniversität, was sie nach 1955 ja 
dann auch bald offiziell werden sollte. Die Statistik beweist es: Von den 1 536 Studenten 
des Studienjahres 1954/55, von denen 382 der Philosophischen, 543 (227 + 316) der Ju¬ 
ristisch-Wirtschaftswissenschaftlichen, 224 der Naturwissenschaftlichen, 140 der Medi¬ 
zinischen, 143 dem Dolmetscherinstitut, 80 dem Berufspädagogischen Institut und 24 
dem Europäischen Institut angehörten79, besaßen 1 133 (= 74 %) die saarländische, 201 
(= 13%) die deutsche und 145 ( = 9,5 %) die französische Staatsangehörigkeit. Die üb¬ 
rigen, nämlich 57 (= 4,0 %), war verschiedener Nationalität80. Die Aussichten, die Zahl 
nichtsaarländischer Studenten zu erhöhen, hatten sich im Laufe der Jahre eher verschlech¬ 
tert als verbessert. Das lag vor allem daran, daß die saarländische Universität in ihrem 
Lehr- und Prüfungswesen immer stärker in den Sog des saarländischen Staatsprüfungs¬ 
rechts gezogen wurde. Wenn auch die medizinischen und pharmazeutischen Approba¬ 
tionen, die juristischen und philologischen Examina usw. im wesentlichen in der Überlie¬ 
ferung deutscher Normen und Anforderungen existent blieben, so führte die durch die 
Prestigesucht des Saarlandes ausgelöste Politisierung der Staatsexamina81 dennoch dazu, 
daß die deutschen Universitäten nur sehr zögernd etwa vom Jahre 1952 an und dann auch 
nur bestimmte Studienleistungen der Saaruniversität anerkannten. Der französische 
Partner verschloß sich sogar trotz intensivster Bemühungen Grandvals in der Frage gegen¬ 
seitiger Anerkennung von staatlich vorgeschriebenen Examensleistungen aus bildungs¬ 
78 Auf dieses Problem wurde Hoffmann bereits im Jahre 1949 durch den Landrat des Kreises St. 
Wendel aufmerksam gemacht. Vgl. Schreiben Landrat des Kreises St. Wendel, Schütz, an Hoff¬ 
mann vom 8. 8. 1949. LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsi¬ 
denten Nr. 296. Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 7). 
79 Statistisches Handbuch (Saarland 1955), S. 262. 
80 Ebenda, S. 262. 
81 Dieser Aspekt wurde z. B. im Zusammenhang mit der Großen Anfrage der SPS-Fraktion bezüg¬ 
lich medizinischer und juristischer Staatsexamen im Saarland deutlich (September 1952). Die 
entsprechenden Unterlagen hierzu finden sich im LA Saarbrücken, Bestand der Staatskanzlei, 
Akten des Ministerpräsidenten Nr. 1063. 
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