Demnach antwortete Hector auf die Beschwerde Wehrs über die Zurückstellung evange¬
lischer Lehrer bei Personalentscheidungen unverblümt:
Die Regierung müsse natürlich auch politische Gesichtspunkte bei der Besetzung berück¬
sichtigen. Es wäre ja natürlich, daß beispielsweise die CVP zuerst für ihre Leute sorge, die
aktiv die Verantwortung für den Staat mit übernähmen. Es wären zu wenig Evangelische,
die in die politische Verantwortung einträten...303
Im Volksschulbereich verhinderten die festgelegten konfessionellen Strukturen eine per¬
sonalpolitische Verschiebung zugunsten der einen oder anderen Seite. Dies war auch hin¬
sichtlich der beiden Saarbrücker Mittelschulen so. Hier war es üblich, die Schulleiter¬
stellen je einem katholischen und einem evangelischen Direktor anzuvertrauen304. Aller¬
dings fühlten sich die evangelischen Volksschullehrer in der sachlichen Ausstattung ihrer
Wirkungsstätten und in der Frage der Klassenfrequenzen benachteiligt305, obgleich diese
gegenüber den der katholischen Volksschulen nur geringfügig höher lagen306.
6.4 Die Lehrerschaft wehrt sich
Das Gefühl der evangelischen Erzieherschaft, hintangesetzt zu sein, berührte freilich die
gemeinsame und allgemeine Frontstellung der saarländischen Lehrerschaft gegen die dik¬
tatorische Behandlung307 durch Straus kaum. Sie war ein Charakteristikum der „Ära
Straus“ und könnte darum an vielen Beispielen demonstriert werden. Angesprochen
seien an dieser Stelle jedoch nur der äußerst umstrittene Erlaß über Krankmeldun¬
gen und die bewegte Gründungsgeschichte der Vereinszeitschrift des Verbandes katho¬
lischer Erzieher, da gerade in diesen beiden Fällen die komplizierte Persönlichkeit von
Straus, sein überzogener Glaube an die Staatsmacht und seine überempfindliche Witte¬
rung gegen „staatsfeindliche“ Verhaltensweisen zum Ausdruck gelangt.
Im April 1950 erschien im Amtlichen Schulblatt308 eine Verwaltungsverordnung, die,
erinnernd an verschiedene mahnende Verfügungen aus den Jahren zuvor und ausgehend
von dem Vorwurf einer lässigen Auffassung von den Berufspflichten309, die Schuldirek¬
toren und Schulaufsichtsbeamten dazu anhielt, die Krankmeldungen der Lehrer scharf zu
überwachen. Vorgeschrieben wurde eine sofortige Meldepflicht aller Erkrankungen der
Lehrer an das Kultusministerium, ärztliches Attest nach 3 Tagen und amtsärztliches At¬
test nach 14 Tagen Dienstunfähigkeit sowie das Führen besonderer Krankheitslisten.
Drohend wurde dann noch hinzugefügt, daß die Krankheitsliste eines jeden Lehrers dem¬
nächst in den Personalvorgängen ... entscheidend berücksichtigt würde310. Parallel zu
diesem Erlaß erhielten die Schulleiter ein Schreiben, in dem offen der Verdacht simulie¬
renden Verhaltens vieler Lehrer geäußert wurde. Zur Beweisführung dieser Vermutung
3°3 Wie Anm. 302.
304 Vgl. hierzu das Protokoll über die Sitzung der evangelischen Schulreferenten am 2. 2. 1949. Ar¬
chiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3.
305 Ebenda.
306 Im Jahre 1949 betrug die durchschnittliche Klassenfrequenz an katholischen Volksschulen 48,6,
an evangelischen 50,6 Schüler. Errechnet nach Statistischem Handbuch (Saarland 1950), S. 181.
307 Zitiert nach Ausführungen des evangelischen Jugendpfarrers vom Berg in seinem Schreiben an
Kirchenrat Wehr vom 28. 1. 1949. Archiv des Kirchenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß
Wehr, Aktengruppe 3.
308 Amtliches Schulblatt für das Saarland Nr. 7 vom 5. 4. 1950.
309 Ebenda.
310 Ebenda.
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