schaft zum Ausdruck kommt. Während im Bundesgebiet im Jahre 1951 auf 10 000 Ein¬
wohner rund 135 Gymnasiasten kamen, erreichte das Saarland hier nur einen Wert von
99,5. Im Jahre 1947 hatte die Quote noch bei 114 gelegen, was in etwa der damaligen
Richtzahl in der Bundesrepublik entsprach. Sie sank dann aber aufgrund strenger Auslese-
und Prüfungspraktiken205 in der „Ära Straus“ stetig und erreichte im Jahre 1950 mit 95,7
ihren absoluten Tiefpunkt. Diese Entwicklung, die von Straus im Zeichen des Wechselbe¬
zugs von harter und konsequenter Leistungsschulung und der Erwartung einer „staatstra¬
genden“ Elite bildungspolitisch gewollt war, ist eine der primären Ursachen für die schul¬
politischen Spannungen der Jahre 1947 bis 1951 gewesen. Andererseits, und vielleicht lag
darin ein verschärfendes Element für die allgemeine Unruhe jener Jahre an den saarländi¬
schen Gymnasien, ist in der Hoffmannzeit insgesamt und auch in den Jahren von Straus
durch ein System von Freistellen und Erziehungsbeihilfen an den damals noch schuldgeld¬
pflichtigen Oberschulen eine erhebliche Veränderung der Sozialstruktur in der gymna¬
sialen Schülerschaft des Saarlandes herbeigeführt worden. Sowohl die starken Elemente
des sozialen Katholizismus in der CVP als auch die SPS unterstützen diesen Kurs der Be¬
gabtenförderung minderbemittelter Schüler. So kamen, wenn man den Angaben Hans
Grohs, des Hochschulreferenten im saarländischen Kultusministerium, Glauben
schenken darf, im Jahre 1950 54 % aller saarländischen Oberschüler aus Arbeiter- und
Bauernfamilien206. Gerade dieses Beispiel führt deutlich vor Augen, daß infolge des sepa¬
raten staatlichen Daseins der Wandel im Bildungsleben an der Saar zum Teil anders ver¬
laufen ist als in der Bundesrepublik.
Das in sechs Jahrgangsstufen aufgebaute Mittelschulwesen erfuhr im Zeitraum 1945 bis
1955 im Saarland keinen Aufschwung207. Die beiden Saarbrücker Mittelschulen, eine für
Mädchen und eine für Jungen, blieben in dieser Zeit die einzigen an der Saar. Sie unterrich¬
teten in den damaligen Jahren jeweils etwa 1 000 Schülerinnen bzw. Schüler. Damit kam
das Saarland auf einen statistischen Wert von nur rund 20 Schülern pro 10 000 Ein¬
wohner, eine Quote, die im Vergleich zur Bundesrepublik auffallend gering war, wo im
Jahre 1951 auf 10 000 Einwohner nahezu 50 Mittelschüler kamen. Die durchschnittliche
Klassenfrequenz der Saarbrücker Mittelschulen war ebenfalls mehr als ungünstig. Sie
kam im Jahre 1951 auf 44 Schüler und erreichte damit einen Wert, der weit über den von
32 in der Bundesrepublik lag208. Emil Wagner, lange Jahre als Realschullehrer in Saar¬
brücken tätig gewesen und nach 1955 Direktor in diesem Bildungsbereich und darum mit
205 Im Jahre 1947 erhielten noch 23,9 % der saarländischen Sextaner ihr Reifezeugnis. Danach
nahm die Anteilsquote kontinuierlich ab: 1948 = 19,5 %, 1949 = 16,1 %, 1950 = 14,7%. Vom
Jahre 1951 an, nach der Entlassung von Straus als Kultusminister, nahm sie wieder zu: 1951 =
20,6 %, 1952 = 23,4 %, 1953 = 22,6 %, 1954 = 22,6 %, 1955 = 26,4 %, 1956 = 25,9 %,
1957 = 32,2 %. Statistik nach: Saarland in Zahlen, Heft 4, Oktober 1958, S. 12. Vgl. in diesem
Zusammenhang auch das Schreiben des evangelischen Jugendpfarrers vom Berg an Oberkir¬
chenrat Wehr vom 22. 6. 1954. Dort heißt es u. a.: Es scheint saarländische Mode zu sein, daß
man die für Höhere Schulen aufzunehmenden Schüler tagelang unter die Lupe nimmt und dann
aus diesem „Menschenmaterial“ sich diejenigen aussucht, die einem gefallen. Archiv des Kir¬
chenkreises Saarbrücken, Bestand Nachlaß Wehr, Aktengruppe 3, Lehrerseminar Ottweiler.
206 Vortrag Grohs über studentische Fragen am 23. 12. 1950. Manuskript der Rede. LA Saar¬
brücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, V/Vl - UIS — 1 e -.
207 Die ideologischen Gründe für die unfreundliche Haltung TOn Straus gegenüber den Mittel¬
schulen wurden bereits oben angesprochen. Siehe oben, S. 112 f. Vgl. auch oben, S. 39 f.
208 Errechnet nach Angaben aus dem Statistischen Handbuch (Saarland 1955), S. 254 in Verbindung
mit dem Statistischen Jahrbuch (Nordrhein-Westfalen 1952), S. 366 f.
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