kirchlicher Wünsche die Steilung eines ordentlichen Lehrfaches85 86, wobei gleichzeitig seine
generelle Bedeutung auch für die Mittel- und Berufsschulen sowie für das Gymnasium ge¬
sichert war, die laut Verfassung christliche Gemeinschaftsschulen86 sein sollten. Im Inter¬
esse des konfessionellen Prinzips wurde der schulrechtliche Zentralbegriff „geordneter
Schulbetrieb“ in Beziehung zur einklassigen Schule gesetzt87 und schließlich die Ausbil¬
dung der Volksschullehrer in konfessionellen Lehrerbildungsanstalten festgelegt88. Gene¬
relle Einigkeit zwischen den Parteien bestand allein in der Frage der staatlichen Schulauf¬
sicht89.
Hoffmann hat im Jahre 1963 das unbeirrte Vorgehen der CVP in der Schulfrage mit der
kirchentreuen Mentalität der saarländischen Bevölkerung begründet90. Setzt man seine
Bewertung jedoch in Beziehung zu einer empirischen Repräsentativumfrage des Sozial¬
psychologischen Instituts Saarbrücken aus dem Jahre 1947, dann relativiert sie sich er¬
heblich. Danach erklärten sich damals 54 % aller Befragten für die Einrichtung von kon¬
fessionellen Volksschulen91. Dieser Prozentwert deckt sich annähernd mit den Stimman¬
teilen der CVP bei den Wahlen der Jahre 1946 und 1947. Von den schulpolitischen Geg¬
nern der CVP ist diese Mehrheit niemals infrage gestellt worden. Bezweifelt haben sie al¬
lerdings, ob mit Hilfe des Mehrheitsprinzips die verfassungsrechtliche Legitimität einer
christlich interpretierten Bildungsverfassung zu rechtfertigen sei. Sie reklamierten die
Schulfrage als Gewissensfrage, die die persönlichen Grundrechte des einzelnen tangiere
und deshalb enger staatlicher Vorbestimmung zu entziehen sei. So appellierte zum Bei¬
spiel der bereits mehrfach zitierte Braun unter Hinweis auf das von ihm positivistisch auf¬
gefaßte Elternrecht in einer eindringlichen Mahnung an die CVP: Mit 51 Prozent können
Sie 49 Prozent nicht vergewaltigen. Mit welchen Worten der Überzeugung haben Ihre
Parteifreunde, das Zentrum im Reich, für das gekämpft, was ich jetzt beantrage. Der Wei¬
marer Reichstag hat das angenommen, und meine Parteifreunde haben dafür gestimmt,
weil wir sagten, wir können die katholische Minderheit nicht majorisieren 92.
Diese Ausführungen, die offensichtlich auf den sogenannten Weimarer Schulkompromiß
und seine textliche Formulierung im Artikel 146 Absatz 2 der Reichsverfassung gemünzt
waren93, belegen nicht nur die Kontinuität deutscher Bildungsgeschichte im Saarland
nach 1945, sondern auch die bruchlose Wirksamkeit ihrer immanenten Spannungsmo¬
mente, wie sie oben aus katholischer Sicht skizziert worden sind. Die CVP ist solchen An¬
griffen stets mit dem Hinweis auf die Tradition der konfessionellen Schule an der Saar ent¬
gegen getreten. Diese sei, so die Schulexpertin der CVP-Fraktion, die Neunkircher Rechts¬
anwältin Irmgard Fuest, bei der Diskussion der Schulfrage in der Gesetzgebenden Ver¬
sammlung am 6. 11.1947, für uns unter den gegenwärtigen historischen Umständen das
85 Artikel 29 Absatz 1.
86 Artikel 27 Absatz 4.
87 Artikel 27 Absatz 3.
88 Artikel 31
89 Artikel 27 Absatz 1.
90 J. Hoffmann, Ziel, S. 99.
91 Sozialpsychologisches Institut Saarbrücken, 4. Erhebung: Jugend und Erziehung, Saarbrücken
o.J. (1947), S. 6.
92 Stenographischer Bericht über die (4.) Sitzung der Gesetzgebenden Versammlung des Saarlandes
am 6. 11. 1947. Zitiert nach dem Abdruck bei R. Stöber (Pseudonym für H. Schneider), S.
428.
93 Siehe oben, S. 150 und die dortige Anm. 68.
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