Full text: Bildungspolitik im Saarland (14)

ihrem regionalistisch geprägten Willen zur Selbstbehauptung im Rahmen rechtsstaatli¬ 
cher Setzungen und dem Zwang zur Anpassung an eine fremde nationale Oberhoheit 
zwar abschwächen aber niemals durchgreifend auflösen können, wie vor allem das zum 
Teil ruppig und mit taktischen Finessen geführte Gerangel um Parteienverbote, Presse¬ 
recht55 und Ausweisung unliebsamer Politiker beweist.56 
Auch die Bildungspolitik geriet in wichtigen Fragen in den Sog des Zwiespältigen, da der 
Saarstatus trotz der von Anfang an geäußerten Zusicherung, die kulturelle Autonomie 
der Saarländer respektieren zu wollen57, im Grunde das gesamte gesellschaftspolitische 
Leben erfaßte58, so daß auch hier, freilich eher in mittelbarer Weise, seine bedrängende 
Wirkkraft spürbar wurde. Der Artikel 30 der saarländischen Verfassung vom 17. 12. 
1947, der die Lehre der französischen Sprache zur Entwicklung der kulturellen Bezie¬ 
hungen zwischen Frankreich und dem Saarland verbindlich erklärte, ferner das saarlän¬ 
disch-französische Kulturabkommen aus dem Jahre 1948 mit seinen weitreichenden Be¬ 
stimmungen über den französischen Sprachunterricht und die saarländische Universität 
sowie die französischen Schulen in ihrer Eigenschaft als Bildungsstätten schulpflichtiger 
saarländischer Kinder und nicht zuletzt die Existenz und Geschichte der saarländischen 
Hochschule sind die wohl aussagekräftigsten Belege für diese Rückwirkungen des franzö¬ 
sischen Kontroll- und Gegenwartsanspruchs auf das Bildungswesen an der Saar. Obgleich 
diese Tatbestände und die sie begleitenden Vereinbarungen und Richtlinien den deut¬ 
schen Charakter des öffentlichen Bildungssystems prinzipiell nicht infrage stellten, so 
55 Zur Medienpolitik der saarländischen Regierung neuerdings A. H. V. Kraus, S. 70 ff. Vgl. 
auchD. Berwanger und die Studie von H.Schwan über den Saarländischen Rundfunk 1945 
-1955. 
56 Besonderes Aufsehen hat die im Januar 1948 ohne Angabe von Gründen erfolgte Ausweisung des 
Pfarrers Franz Bungarten erregt, der 35 Jahre im Saarland tätig gewesen war, zuletzt als Pfarrer 
der Pfarrei St. Josef in Saarbrücken. Bungarten war wegen seines Widerstandes gegen den Natio¬ 
nalsozialismus im Saarland bekannt geworden. Außerdem war er Gründungsmitglied der CVP. 
Seine Ausweisung oder, wie Grandval es ausdrückte, die Nichtverlängerung seiner Aufenthalts¬ 
genehmigung, erfolgte, das beweisen die schriftlichen Quellen eindeutig, aufgrund einer einsei¬ 
tigen Maßnahme des Hohen Kommissariats. Überdies machen sie offenkundig, daß Hoffmann 
über das ungenierte französische Vorgehen ebenso verbittert wie bestürzt war. Damit ist dieser 
Vorgang aber auch zugleich Zeugnis für die Ferne der saarländischen Wirklichkeit des Jahres 
1948 vom freiheitlichen rechtsstaatlichen Ideal, ein Eindruck, der zudem noch verstärkt wird 
durch die von Grandval an Hoffmann vertraulich mitgeteilten Motive der Ausweisung. Danach 
habe er auf Weisung seiner Regierung so handeln müssen, weil der Pfarrer Bungarten nach der 
Zustimmung der saarländischen Bevölkerung zum Verfassungsentwurf a continué de déployer 
une activité contraire aux principes mêmes inscrits dans le préambule de la Constitution. 
Grandval an Hoffmann vom 9. 1. 1948. LA Saarbrücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Di¬ 
rektors der Präsidialkanzlei, V C 1 a. In diesem Aktenstück findet sich der gesamte Schriftverkehr 
zwischen Hoffmann und Bornewasser einerseits und Hoffmann und Grandval andererseits in 
dieser Angelegenheit. Vgl. in diesem Zusammenhang F. Bungarten, S. 8 ff., J. Hoffmann, 
Ziel, S. 141 ff. und H. Schneider, S. 150 ff. 
57 Aus den bisher vorliegenden französischen Quellen läßt sich eine solche Zusicherung für das 
Frühjahr 1947 ermitteln. Im Bericht der Sûreté innerhalb der Saarbrücker Militärregierung für 
den Monat März 1947 heißt es, daß MM. Bidault et Schuman ont donné l’assurance que les Sar- 
rois pourraient conserver leurs mœurs et leur culture postérieurement au rattachement écono¬ 
mique et qu’ils ne sont pas partisans du rattachement politique. LA Saarbrücken, Bestand Han¬ 
delsamt Saar Nr. 5. Wahrscheinlich sind ähnliche Garantieerklärungen schon früher abgegeben 
worden. 
58 Die Beschneidung der bildungspolitischen Meinungsfreiheit an der Saar belegt die in der Anlage 
9 im Anhang wiedergegebene Quelle. Es handelt sich um ein Schreiben des Hohen Kommissariats 
an die Saarregierung vom 24. 1. 1950, in dem diese aufgefordert wird, die Redaktion der „Ge¬ 
werkschaftlichen Rundschau“ wegen einer Kritik am Französischunterricht zurechtzuweisen. 
LA Saarbrücken, Bestand Verwaltungskommission des Saarlandes Nr. 20. 
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