'!) Das war, noch ehe die Wahlen von Hoffmann angesetzt worden sind14 15, als man freie
Wahlen verlangte. Nachdem sich Adenauer über die Ratlosigkeit und den Pessimismus
seiner Gesprächspartner in der Frage nach den Chancen ihrer Parteien bei wirklich freien
Wahlen beklagt hatte, sagte er dann: Ich muß ihnen ehrlich gestehen, als mir die drei
Herren gesagt haben, sie könnten nicht sagen, daß sie mit einer gewissen Wahrscheinlich¬
keit bei wirklich freien Wahlen den Sieg davon trügen, da lief es mir kalt den Rücken her¬
unter,5.
Kaiser hat Adenauer damals ganz im Sinne von Schneider geantwortet, indem er lako¬
nisch darauf verwies, daß Frankreich sich selbst ins Gesicht schlägt, daß in dem von ihm
weggenommenen Teil nach Gesichtspunkten gewählt wird, wie im Grunde - mit einer
graduellen Verschiedenheit—in der Sowjetzone gewählt wird und wie in der Hitlerzeit ge¬
wählt worden ist16. Nachdem Adenauer schon vor dieser Anklage gegen Frankreich
kundgetan hatte, daß die Politik, die wir mit Bezug auf die Saar getrieben haben, falsch
war und daß sie ein glänzendes Fiasko erlitten hat durch die Wahl im Saargebiet17 18, kon¬
terte er nun noch härter, indem er erklärte, daß es ein schwerer Fehler von uns gewesen
(sei), daß wir von Anfang an die Leute diffamiert haben, die sich losgetrennt und dem
Saarregime zugestimmt haben. Es wäre viel klüger von uns gewesen, wenn wir den Leuten
gesagt hätten: was ihr gemacht habt, durftet ihr nicht tun, aber schließlich ward ihr in
einer schwierigen Situation. Das sehen wir einis. Politiker wie Kaiser und Altmeier und
erst recht die jeder öffentlichen Wirkung beraubten Oppositionspolitiker an der Saar
haben zu einem solchen Weg des Ausgleichs und der Versöhnung nicht finden können.
Die von Adenauer kühl kalkulierte Möglichkeit einer Metamorphose im politischen Be¬
wußtsein der saarländischen Bevölkerung, die im Zeichen verschiedenster Motivationen
das nationalstaatliche Prinzip zu überwinden suchte und dabei möglicherweise einen ei¬
genständigen Willen entwickelte, traf bei ihnen nur auf Unverständnis. Für Heinrich
Schneider war Adenauer selbst noch im Jahre 1973 ein „Rätsel“19. Aber schon kurz vor
der saarländischen Novemberwahl (30.11.) hatte Adenauer in der Saardebatte des Deut¬
schen Bundestages am 18.11.1952in klarer Abgrenzung zu den dogmatischen Anschau¬
ungen von einem im deutschen Schicksal aufgehobenen saarländischen Eigenwillen offen
erklärt: Wir schreiben dem Bewohner des Saargebietes keine Meinung vor. Er mag sich
entscheiden, wie er will. Aber wir können nicht zulassen, daß der Wille der Bevölkerung
an der Saar dadurch verfälscht wird, daß einem Teil des Volkes, und zwar einem sehr er¬
heblichen, die Möglichkeit genommen wird, seinen politischen Willen zum Ausdruck zu
14 Der Bericht Schneiders bezieht sich auf eine 2. Zusammenkunft, Adenauers Äußerungen greifen
auf eine 1. Besprechung zurück, deren genauer Termin nicht ermittelt werden konnte, die wahr¬
scheinlich aber im Frühsommer 1952 stattgefunden haben muß.
15 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S.
195 f. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
16 Stenographische Niederschrift über die Sitzung des CDU-Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S.
196. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses, Bonn.
17 Gemeint sind die saarländischen Landtagswahlen vom 30. 11. 1952.
18 Die beiden Zitate stammen aus der Stenographischen Niederschrift über die Sitzung des CDU-
Bundesvorstandes am 26. 1. 1953, S. 194 bzw. S. 202. Archiv des Konrad-Adenauer-Hauses,
Bonn.
19 H. Schneider, S. 433. Seine dortige Bemerkung „Das Rätsel Konrad Adenauer“ steht im Zu¬
sammenhang mit dem Abstimmungskampf im Jahre 1955.
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