weitere Ausbau der medizinischen Fakultät in Homburg völlig unberechtigt und lediglich
eine schwere Belastung^. Ähnliche Bedenken, allerdings mehr mit Blick auf den juristi¬
schen Nachwuchsbedarf, hörte man aus dem kommunalen Raum315 316 und von den An¬
walts- und Wirtschaftskammern317. Bildungsökonomisch begründete Sorgen mit der
neuen Hochschule hegte auch Johannes Hoffmann, als Vorsitzender der politisch domi¬
nierenden CVP und erst recht seit dem 20. Dezember 1947 als saarländischer Minister¬
präsident der einflußreichste einheimische Politiker an der Saar. Hoffmann sah vor allem
zwei Risiken, nämlich eine übergebührliche Belastung des saarländischen Haushalts und
die mögliche Zukunft eines akademischen Proletariats, das im Falle politischer Krisen zu
einer unkalkulierbaren Hypothek werden könnte318. Solche Skepsis, die in der Existenz
einer Hochschule im Grunde die Gefahr einer Einengung des innen- und außenpolitischen
Handlungsspielraums saarländischer Politik sah, signalisiert eine realistische bildungspo¬
litische Grundhaltung, die sowohl auf geschichtliche Erfahrungen seiner saarländischen
Heimat zurückzuführen ist als auch auf Erinnerungen an die bildungsökonomische Krise
in der Endphase der Weimarer Republik, als eine in die Verantwortung drängende akade¬
mische Jugend abgewiesen wurde und dann anfällig wurde für die demagogischen Parolen
der Nationalsozialisten. Die nüchterne Kalkulation des Projekts Universität durch Hoff¬
mann steht in einem auffallenden Gegensatz zu seinem späteren Kultusminister Straus,
der in seinem Ziel, das autonome Saarland im Interesse seiner gedeihlichen Entwicklung
und internationalen Reputation aus seinem bisherigen Dasein als kulturelle Wüste her¬
auszuführen, eine Bildungspolitik des großen Fußes zu wagen bereit war319 320. Für Hoff¬
mann war das aber der Weg eines merkwürdigen Mannesno, der die Gefahr einer von
Paris möglicherweise gewollten Instrumentalisierung der neuen Hochschule für eigene In¬
teressen nicht ernst genug nahm. Im Gegensatz zu Straus favorisierte er lange Zeit das
„Luxemburger Modell“, d. h., er votierte unter Verzicht auf eine saarländische Univer¬
sität für ein Studium der Saarländer im europäischen Ausland321. Die hier schon er¬
kennbar werdenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Hoffmann und Straus über
den Stellenwert und die Effizienz von Bildungsangelegenheiten überhaupt, werden sich,
wie noch nachzuweisen sein wird, kontinuierlich fortsetzen. Sie zeigen zugleich an, daß
der oft gescholtene saarländische Nachkriegsseparatismus durchaus keinen politischen
315 Das Saarland zählte im Jahre 1948 insgesamt 572 Ärzte und 122 Fachärzte. Im Medizinstudium
befanden sich damals 450 Saarländer, 200 in Deutschland und 250 in Homburg bzw. in Frank¬
reich. Jährlicher Bedarf an Jungärzten nach Angaben der Versicherungsanstalt 15. Nach
Schreiben Springers an Arbeitsminister Kirn vom 29. 9. 1948. LA Saarbrücken, Bestand KM,
Abt. Hochschulen, UIS — 1 —.
316 Vgl. hierzu insbesondere Schreiben Landrat des Kreises St. Wendel, Paul Schütz, an Hoffmann
vom 8. 8.1949. LA Saarbrücken, Bestand Staatskanzlei, Akten des Ministerpräsidenten Nr. 296.
Wiedergegeben im Quellenanhang (Anlage 7).
317 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976. Vgl. auch Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann vom
31.5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken, Sammlung J. V. Wagner.
318 Vgl. dazu das Protokoll (deutsche Textfassung) über die erweiterte Zusammenkunft des Verwal¬
tungsrates der Universität Homburg am 9. 4. 1948 im französischen Außenministerium, S. 3
(Äußerungen Hoffmanns). LA Saarbrücken, Bestand KM, Abt. Hochschulen, UIS —VR —Ver¬
waltungsrat 1948/49. Entsprechende Hinweise auch im Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann
vom 31. 5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken, Sammlung J. V. Wagner.
319 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
320 Interview J. V. Wagner mit J. Hoffmann vom 31. 5. 1966. Universitätsbibliothek Saarbrücken,
Sammlung J. V. Wagner.
321 Protokoll erweiterter Verwaltungsrat (siehe Anm. 318 auf dieser Seite).
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