zur Zeit der Militärregierung, die Gestaltung des saarländischen Schulwesens entspre¬
chend den Grundsätzen der Erziehungsenzyklika Pius XI „Divini illius magistri“ vom 31.
12. 1929 verfolgt habe222, so kann dem eigentlich nicht widersprochen werden223. Ob¬
gleich dieses päpstliche Lehrschreiben gedanklich seinen Ausgangspunkt nicht im staatli¬
chen Bildungsmonopol nahm, wie es an der Saar aufgrund deutscher Schultraditionen
Praxis war, so hat Straus dennoch und unbestreitbar seine Leitgedanken, die von der For¬
derung nach katholischem Geist für schulisches Dasein und Effizienz getragen waren, als
Maxime seines bildungspolitischen Gestaltungswillens übernommen. Mit seiner klaren
Orientierung an katholische Schulgrundsätze knüpfte Straus bewußt an Überlieferungen
der deutschen Bildungsgeschichte an; denn für eine enge Verbindung von Kirche und
Staat im öffentlichen Schulwesen kann das mehrheitlich laizistisch geprägte Bildungs¬
wesen Frankreichs wohl kaum als Vorbild genannt werden. Bestätigt wird diese Feststel¬
lung mittelbar durch die Auseinandersetzungen um die Gültigkeit der Schulbestim¬
mungen des Reichskonkordats von 1933 zwischen der katholischen Kirche und der fran¬
zösischen Militärregierung in Baden-Baden224. Dieses Abkommen, das den katholischen
Schulwünschen weitestgehend entgegenkam, war im Saarland nie umstritten, obwohl die
Saarbrücker Militärregierung wegen des Gebietsstandes zum Zeitpunkt des Konkordats¬
abschlusses Gelegenheit zu einer spitzfindigen Rechtsauslegung gehabt hätte225. Mit
seinem von der Militärregierung letztlich hingenommenen betont kirchenfreundlichen
Kurs in Schulfragen konnte Straus sicherlich mit der Zustimmung einer Mehrheit der
saarländischen Bevölkerung rechnen. Beifall konnte er auch für seinen gegenüber
Grandval erfolgreich vertretenen Standpunkt erwarten, die Praxis der ehemaligen Gru¬
benschulen (Domanialschulen), die in der Zeit des Völkerbundregimes für so viel Unruhe
und für eine starke Emotionalisierung gegen alles Französische gesorgt hatten226, im Inter¬
esse einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und dem Saarland nicht
wieder aufzunehmen227.
Die Kongruenz zwischen Straus und saarländischer Bevölkerung in bestimmten Bildungs¬
fragen führt zwangsläufig zu der Frage, ob Straus tatsächlich die Kompetenz besaß, um
die Militärregierung in schulpolitischen Anliegen zu beeinflussen. Die Behauptung von
Straus, er habe einen guten Draht zu Grandval gehabt228, wird durch den langjährigen Di¬
rektor der französischen Kulturabteilung in Saarbrücken, Pierre Woelfflin, ausdrücklich
bestätigt229. Straus führt als besonderen Beweis für die von ihm schon in der Zeit der Mi¬
222 Interview E. Straus vom 23. 10. 1975.
223 Straus hat sogar offen die von der Militärregierung im Jahre 1946 verlangte Entkonfessionalisie-
rung der Lehrerseminare zu unterlaufen versucht. Am 1. 9.1946 wies er die Leiter dieser Einrich¬
tungen an, alle Kandidaten und Kandidatinnen ... auch bezüglich ihrer Stellung zur Kirche zu
überprüfen. Alle Fälle, die zu Komplikationen bei der Verwendung und Anstellung führen
könnten (Kirchenaustritt, Mischehe ect.) sind umgehend nach hierzu melden. Straus begründete
seine Anordnung mit dem konfessionellen Charakter unserer Volksschulen. Straus an die Leiter
der Staatlichen Lehrerseminare. LA Saarbrücken, Bestand KM — Mk 4783.
224 Siehe oben, S. 51 ff.
225 Verwiesen sei auch hier auf die jur. Dissertation von K. Ory wall über die Gültigkeit von Kon¬
kordat und Kirchenverträgen im Saarland und auf B. J. Fa b e r, passim insbesondere aber S. 185
und S. 220 ff.
226 Siehe oben, S. 31 f.
227 Interview E. Straus vom 23. 11. 1976.
228 Interview E. Straus vom 25. 11. 1976.
229 Interview P. Woelfflin vom 27. 11. 1976.
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