Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt

derung der bestehenden Ordnung erzwingen wollten66. Zur Abwehr dieser Gefahren 
schienen ihm soziale Reformen unerläßlich, an erster Stelle eine Reform der Steuerver¬ 
fassung, wie von ihm vorgeschlagen in seiner Dîme Royale, in deren Vorwort er, in 
Beantwortung der Frage nach den Motiven seines politischen Engagements, erklärte, 
affection à la patrie, esprit de devoir und compassion mit der Notlage des Volkes 
hätten ihn veranlaßt, nach den causes de la pauvreté des peuples zu fragen und einen 
Weg zu suchen, auf dem man über eine Steigerung der Staatseinnahmen das eigentli¬ 
che Ziel, nämlich le bonheur des peuples erreichen könne67. Freilich erwähnte er hier 
auch die reconnaissance für ihm vom König erwiesene grâces et bontés. Doch ist 
dieser Hinweis offensichtlich nicht mehr als eine Devotionsformel. Keinesfalls be¬ 
zeichnet er ein seinem Bewußtsein sozialer Verantwortung gleichwertiges Motiv der 
Verpflichtung zum Einsatz für das „bonum commune“. 
Ausgehend von einem rationalistisch-mechanistischen Weltverständnis wollte 
Vauban — im Sinne des weit gefaßten, vornehmlich eine optimale Verbindung von 
Methode und Empirie, speziell im Festungsbau von „art“ und „nature“, fordernden 
,,Génie“-Begriffs dieser Epoche — alle Lebensbereiche entsprechend dem Ideal me¬ 
chanischer Effizienz ordnen und beherrschen, mit der Konsequenz freilich mancher 
Einseitigkeiten, zumal der Neigung zur Reglementierung individueller Initiativen und 
Interessen. Er wurde so zum „ingénieur de France“. Doch war er weit mehr als nur 
das. Dank seiner Kenntnis von Mentalität und Interessen aller Stände der Nation und 
seines Verständnisses für soziale Fragen wußte er, daß es nicht genügen konnte, die 
Staatsapparatur einschließlich des Militärwesens technisch-organisatorisch zu perfek¬ 
tionieren, daß vielmehr immer und überall auch moralische Kräfte angesprochen und 
aktiviert werden mußten. 
66 Zit. nach Rebelliau, S. 360. (In der von de Rochas d’Aiglun vorgelegten Edition der Schrif¬ 
ten und Briefe Vaubans findet sich dieses Schreiben nicht) 
67 Vauban, Dime Royale, S. 5 ff. 
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