Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt

Philippe Truttmann Ansehen und Einfluß seiner Festungsbaumeister dargestellt. Einen 
über 40 gedruckte Pläne von Saarlouis erfassenden vorzüglich kommentierten Katalog 
legte Hellwig vor 10a. Schließlich befestigte man auch wichtige Punkte im Vorfeld — 
Brückenköpfe auf dem anderen Flußufer, beherrschende Höhen — und legte endlich 
um die bastionierte Festung einen weiteren Verteidigungsring. Den entscheidenden 
Durchbruch hatte das 16. Jahrhundert gebracht: in der Ausbildung der Artillerie und 
einer Fortifikation, die es ermöglichte, die Überlegenheit der neuen Feuerwaffen unter 
Zuhilfenahme eben dieser Waffen zu egalisieren, in der Beherrschung des Vorfeldes 
durch die Verteidigungsartillerie, durch Ravelins und Bastionen, in der artilleristischen 
Nah Verteidigung von den bastionierten Werken aus. 
In der von Berufssoldaten verteidigten Festung mußten Zeughäuser, Magazine, 
Kasernen, aufwendigere Bauten für den Gouverneur, eine Garnisonskirche gebaut 
werden. Im Gegensatz zu den aufstrebenden, türmereichen Silhouetten der mittelalter¬ 
lichen Städte wird das äußere Stadtbild bei der Festung durch die gewaltigen Erd¬ 
werke bestimmt, die mit den Kurtinen und Bastionen die Stadt umschlossen. Niedrige 
Geschoßhöhen der Häuser, Steinbauten werden vorgeschrieben. Zur Festungsstadt 
gehört öfters eine Zitadelle, ein vier- bis sechseckiges Festungswerk als Kernfestung 
innerhalb der Stadtfestung, um sie zu beschützen und zu beherrschen bzw. als sicherer 
Ort für die Anlage des Schlosses. Die neuen Festungsstädte sind aber keineswegs nur 
von den Zweckmäßigkeitsgründen der Verteidigung bestimmt. Sie sind ebensosehr 
Ausdruck neuer städtebaulicher Konzeptionen, des Ringens um die Idealstadt — als 
Radialstädte oder nach rechtwinkligem Schema geplant — in einer sehr bewußten 
Abwendung vom Mittelalter. Die ästhetische Komponente ist ebenso ausgeprägt wie 
die mathematische. Die Festungsstadt ist ein Sondertyp frühneuzeitlicher Stadtpla¬ 
nung, die auch überzeugende Verwirklichungen in offenen Residenzstädten, ja sogar 
in Fabrikorten gefunden hat. Hier liegt ein weiterer Ansatzpunkt, die moderne Fe¬ 
stungsstadt von der ummauerten mittelalterlichen Stadt abzugrenzen: die Festungs¬ 
stadt ist in erster Linie Festung, darin liegt ihr beherrschender Wesenszug; er schließt 
Multifunktionalität nicht aus. Die mittelalterliche Stadtmauer hingegen ist ein nahezu 
unentbehrliches, aber doch nur ein Kriterium unter vielen anderen ebenso wichtigen 
der mittelalterlichen Stadt10 11. 
Vergegenwärtigen wir uns noch einmal kurz die mittelalterliche Situation. Die mit¬ 
telalterliche Stadt reift in einer bis rund 1200 reichenden Frühphase langsam heran. In 
einem topographischen und einem terminologischen Bezug ergibt sich dabei ein enges 
Verhältnis von Burg und Stadt. Die sich zur Stadt entwickelnde Siedlung besteht im 
allgemeinen aus einem befestigten Herrensitz und einer zunächst unbefestigten ge¬ 
werblich kaufmännisch bestimmten Siedlung; auch Siedlungskammern agrarischer 
Natur liegen oft noch in der Nähe. Die mannigfaltigsten Variationen kommen dabei 
vor. In der Terminologie bezeichnet bis ins 12. Jahrhundert das Wort „Burg“ sowohl 
die Burg in unserem Sinn des Wortes als auch die Stadt. Die jüngere Bezeichnung stat 
setzt sich im 12. Jahrhundert durch. Daraufhin wird Burg nur noch für eine rein forti- 
10 Fritz Hellwig, Alte Pläne von Stadt und Festung Saarlouis, Saarbrücken 1980. 
11 Carl Haase, Die mittelalterliche Stadt als Festung. Wehrpolitisch-militärische Einflußbedin¬ 
gungen im Werdegang der mittelalterlichen Stadt. (Studium Generale 16) 1963. 
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