Staat; von den deutschen Fürstenstaaten verwirklichten den modernen Staat in einem
Frankreich ebenbürtigen Ausmaß allenfalls Preußen und Österreich. Erst im 17. Jahr¬
hundert kommen die neuen Tendenzen zur vollen Auswirkung. Das 15. und 16. Jahr¬
hundert stellen den Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit dar.
In den letzten Jahren haben in Deutschland mehrere Untersuchungen das entschei¬
dend Neue der Artillerie und der modernen Festungsstadt herausgearbeitet. Volker
Schmidtchen stellt in seinem zusammenfassenden Werk „Bombarden, Befestigungen,
Büchsenmeister. Von den ersten Mauerbrechern des Spätmittelalters zur Belagerungs¬
artillerie der Renaissance“2 auch die von der Artillerie im Festungsbau bewirkte Ent¬
wicklung dar. Henning Eichberg hat in seiner Arbeit über Schwedenfestungen des
17. Jahrhunderts in den Herzogtümern Bremen und Verden u. a. auf die Bedeutung
der Ingenieuroffiziere für die allgemeine Landesentwicklung, für den Bau von Hafen¬
anlagen, Wasserleitungen, Brücken usw. aufmerksam gemacht3. Hans-Walter Herr¬
mann gibt im Katalog der Jubiläumsausstellung4 einen ausgezeichneten Überblick
über „Die Entstehung von Festungsstädten zwischen Maas und Oberrhein“, der mit
einer grundsätzlichen Erörterung des Wesens der Festungsstadt beginnt. Eingehende,
auch archivalisch fundierte Arbeiten über einzelne Festungen legten Aders für Bonn5,
Lautzas für Mainz6, Spohr für Düsseldorf7 und Eberhardt für Jülich8 vor.
Die sich entsprechenden Fortschritte der Angriffswaffen und der Verteidigungsbau¬
ten bilden sich ab dem 15. Jahrhundert — zuerst langsam — heraus. Feuerwaffen gab
es schon früher, aber Geschütze sind noch keine Artillerie. Gegen Ende des 15. Jahr¬
hunderts sah sich jede kriegführende Macht, die sich der Geschütze bediente, vor zwei
Probleme gestellt: die Gefahr des Verlustes der kostspieligen schwerbeweglichen
Geschütze mit ihrer geringen Feuergeschwindigkeit im Kampf, Schwierigkeiten des
Munitionsersatzes infolge der Vielfalt der vorhandenen Geschütztypen und ihrer Kali¬
ber, die keine Serienfertigung der Geschosse zuließ. Entscheidende Schritte zu einer
generellen Vereinheitlichung des Geschützwesens taten die Habsburger Maximilian I.
und Karl V. Die Büchsenmeister Karls V. führten das Kalibersystem ein. Der Mathe¬
matiker und Vikar an der Sebalduskirche in Nürnberg Georg Hartmann entwickelte
1530/40 den sog. Kaliberstab nach Nürnberger Maßen. Er wurde von allen euro¬
päischen Artillerien mit Ausnahme Frankreichs und Englands, die zwar das Prinzip,
aber nicht die Nürnberger Maße übernahmen, eingeführt. Der Schöpfer des auf die¬
sem Maßstab fußenden neuen kaiserlichen Geschützsystems, das eine weitgehende
Standardisierung der Geschütztypen und große Vorteile für Herstellung und Nach¬
schub der Geschosse bedeutete, wurde Gregor Löffler aus Innsbruck. Er schaffte die
2 Düsseldorf 1977.
3 Henning Eichberg, Diss. Bochum 1970, Düsseldorf 1976.
4 Saarlouis 1680—1980. Entstehung und Entwicklung einer Vauban’schen Festungsstadt, Kata¬
log zur Ausstellung. Städtisches Museum Saarlouis 14. Juni — 30. September 1980, Saarbrük-
ken 1980, S. 11—35.
5 Gebhard Aders, Bonn als Festung. Ein Beitrag zur Topographie der Stadt und zur Geschichte
ihrer Belagerungen, (Veröffentl. des Stadtarchivs Bonn 12), Bonn 1973.
6 Peter Lautzas, Die Festung Mainz im Zeitalter des Anden Regime, der Französischen Revo¬
lution und des Empire, 1736—1814. (Geschichtliche Landeskunde. Veröffentl. d. Instituts f.
geschichtl. Landeskunde an der Universität Mainz 8), Wiesbaden 1973.
1 Edmund Spohr, Düsseldorf. Stadt und Festung, Düsseldorf 1978.
8 Jürgen Eberhardt, Jülich, Idealstadtanlage der Renaissance. Die Planungen A. Pasqualinis
und ihre Verwirklichung, (Landesverband Rheinland. Arbeitsheft 25), Köln 1978.
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