ihnen zugewiesen waren, von deren Erträgen sie lebten. Um diese Bemerkung zu rela¬
tivieren, ein Beispiel aus dem Norden: Die brandenburgische Kriegsmarine war an
sich ein Privatunternehmen eines holländischen Unternehmers namens Raule, der
damit Seeraub betrieb und dabei durch „Kaperbriefe“ des Großen Kurfürsten gedeckt
wurde. Nach dem Frieden von Saint-Germain entfiel diese Geschäftsgrundlage, doch
wünschte der Kurfürst die Flotte beizubehalten. Sie existierte zunächst durch Seeraub
weiter, unter dem Vorwand, daß rückständige Subsidien von Spanien eingetrieben
werden müßten. Das scheiterte, man erlitt eine Niederlage bei Kap St. Vincent und
mußte sich dann neue Möglichkeiten des Unterhalts ausdenken. Der brandenburgi¬
sche Staatsetat war noch nicht so weit entwickelt, daß ein Posten für die Marine be¬
reitgestellt wurde, vielmehr wurden der Marine quasi „Domänen“ zugewiesen, und
zwar in der Form, daß Einkünfte verschiedener Art — also keine festen Summen —
für den Unterhalt der Marine designiert wurden, etwa die Seezölle in Königsberg,
Salzmonopole, Münzschlagschatz u.a.m. Das reichte im übrigen nicht aus; die Marine
mußte weiterhin Seeraub treiben, und ging dann dazu über, sich in den Dreieckshan¬
del Europa-Guinea-Westindien einzuschalten und Sklavenhandel zu treiben. Erst als
Friedrich Wilhelm I. im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts wirklich zu einer Verstaat¬
lichung des Etats kam, entfiel auch diese Unterhaltsgrundlage der brandenburgischen
Marine, und die einzig logische Folge war, daß die Marine aufgelöst wurde, was die
Marineangehörigen Friedrich Wilhelm I. heute noch außerordentlich übelnehmen.
Edith Ennen, Bonn: Als Beitrag zur domänenfinanzierten Kriegsgeschichte ist das
sehr interessant, aber eben doch etwas typisch Osteuropäisches. Gerade für Branden¬
burg ist die Bedeutung der Domänen für die Staatsfinanzen ein Element, das dieses
Land von den westdeutschen Verhältnissen stark unterscheidet.
Busso von der Dollen, Bonn: Was ist aus jener Festung geworden, die aus sechs
Dörfern zusammengesetzt wurde? Ist die Bevölkerung agrarisch geblieben oder hat
ihre Ballung zu einer städtischen Umstrukturierung geführt? Was geschah mit dieser
Bevölkerung und wie veränderte sich die Struktur der Stadt, als die Festung aufgeho¬
ben wurde? Es handelt sich doch hier um zehn etwa gleichartige Siedlungen.
Georg Heilingsetzer, Linz: Herr Kiss hat erwähnt, daß die österreichischen Erb¬
länder ihren Beitrag zur militärischen Bekämpfung der Türken geleistet haben. Dazu
nur ein kleines Detail: Allein die Stände des kleinen Landes Ob der Enns, also Ober¬
österreichs, haben nur für den Bau der Festung Kanizsa am Ende des 16. Jahrhunderts
44 000 Gulden bezahlt. Noch eine weitere Bemerkung zum Verhältnis zu Ungarn: Die
Habsburger haben sich sehr schwer getan mit Ungarn bezüglich der avitischen Verfas¬
sung, die Ausbildung des Absolutismus ist niemals gelungen und alle Versuche, den
Ungarn ,böhmische Hosen anzuziehen4, wie es hieß, also hier ähnlich zu verfahren wie
nach 1620 in Böhmen, sind mißlungen. Drittens: Es gab neben der Türkenfurcht, die
zweifellos in Ungarn, aber auch in den böhmischen Ländern verbreitet war, anderer¬
seits auch eine Türkenbewunderung (Hans Sturmberger). Denn die Organisation der
Verwaltung und die militärische Organisation hatte für die Ausbildung des Absolu¬
tismus eine gewisse Rolle gespielt. Und andererseits war bei den Türken auch jene
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