Full text: Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt (13)

schickten40, sich mancher unter Hinweis auf vorgebliche Privilegien bestimmten Lei¬ 
stungen zu entziehen verstand41 oder unter fragwürdigen Vorwänden sogar Abgaben 
verweigert42. Daß derartige Vorteile in der Regel nur auf Kosten der anderen Bürgfer 
und Beisassen errungen werden konnten, galt kaum als anstößig, da in der ständi¬ 
schen Gesellschaftsordnung Privilegien für die verschiedensten Sozialgruppen ohnehin 
gang und gäbe waren und naoh einer sachbezogenen Begründung oft nicht gefragt 
wurde. Deshalb erwiesen sich diese normalerweise nicht übermäßig schweren Lasten 
für die uneingeschränkt zu Wach- und Schanzdienst sowie zur Stellung von Quartier 
Verpflichteten, deren Anteil unter der Einwohnerschaft ständig sank, durch häufige 
Wiederholung und Kumulierung als große Bürde. Klagen und Beschwerden blieben 
selbstverständlich nicht aus, bei denen man gern die Zeit vor der Stadtbefestigung mit 
den derzeitigen Beanspruchungen verglich und demnach die Vermehrung der Wachen 
und Posten, den Unterhalt und die Unterbringung stehender Truppen, die Erhebung 
von Quartiergeld und seine Steigerung bei Truppenvermehrungen, die Übergriffe und 
Exzesse der Soldateska und die häufige Einquartierung von Schanzarbeitern kritisier¬ 
te43. Obwohl diese folgenreichen und beschwerlichen Neuerungen insgeheim mißbil¬ 
ligt wurden, die sich als Konsequenz aus der Fortifikation der Stadt, aus strukturalen 
Veränderungen im Heerwesen und aus den gewandelten politischen Verhältnissen 
ergeben hatten, wußten Bürgermeister und Rat jedoch, daß eine Rückkehr zur frühe¬ 
ren, vermeintlich besseren Zeit nicht möglich war, weshalb man sich bei Eingaben 
durchweg mit Bitten um Erleichterungen begnügte. Bei den insbesondere belasteten 
Bürgern und Beisassen herrschte dagegen eine ständige Unzufriedenheit, die vor allem 
durch die zahlreichen Befreiungen gesteigert wurde, deren sich die ständisch oder 
wirtschaftlich ohnehin Begünstigten erfreuten. So entzog sich die Geistlichkeit ge¬ 
wöhnlich dem „bürgerlichen Mitleiden“, pochten die in der Stadt lebenden Adeligen 
auf ihre Standesvorrechte oder beriefen sich auf fürstliche Gnadenerweise, und bean¬ 
spruchte und erhielt die wachsende Schar der Hof- und Staatsbediensteten, die vom 
Geheimrat bis zum Kanzleiboten reichte, auch das Militär und selbst Hofhandwerker 
einschloß, in abgestufter Weise ähnliche Vergünstigungen. An mühsamen Versuchen, 
den quantitativ nicht exakt bestimmbaren und offenbar ausufernden Kreis der Privile¬ 
gierten zu reduzieren44 oder wenigstens deutlich abzugrenzen sowie die Ausweitung 
der minder wichtigen Personalfreiheit zur umfassenden Realfreiheit zu verhindern, hat 
es zwar nicht gefehlt, ohne daß aber ein befriedigendes Resultat erzielt werden konn¬ 
te. Zu diesem Mißerfolg trugen an erster Stelle die Landesherren bei, die immer wie¬ 
der Befreiung von Abgaben und Diensten gewährten und demnach eine Reglementie¬ 
41 StA Würzburg, Gebrechenamtsakten IV W 261, 3. 9. 1708; StadtA Würzburg Ratsbuch 72, 
S. 230; Ratsbuch 253, S. 3, 6; StadtA Würzburg Ratsakten 174, 19. 3. 1661; Ratsakten 
1775, 22. 6. 1775. 
42 StadtA Würzburg, Ratsakten 174, 15. 7. 1659. In den 20er Jahren des 18. Jhs. lehnte es z. B. 
die Universität ab, für ihre mehr als 400 Grundholden Schanzgeld zu bezahlen; StA Würz¬ 
burg, Rechnungen 31409, fol. 102. 
43 StadtA Würzburg, Ratsakten 1780, undatiert. 
44 In einem undatierten, vermutlich um die Wende vom 17. zum 18. Jh. verfaßten Memoriale 
über das Quartiergeld wird die Zahl der Eximierten mit mehr als 600 beziffert. Vergleicht 
man damit die Angaben aus der Volkszählung für die Stadt Würzburg von 1701, die 1201 
Bürger und 605 Beisassen erfaßt hat, so läßt sich aus diesem Ansatz wenigstens grob das 
Verhältnis zwischen den Privilegierten und Nichtprivilegierten für diese Last abschätzen. 
StadtA Würzburg, Ratsakten 1780; Korherr, S. 21. 
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