Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

4 Der Bergarbeiterstreik im Mai 1889 
4.1 Der Streikverlauf 
,,Im Jahre 1889 war es im Bergmannsstand unerträglich. 1, durch die langen Schichten 
(12 Stunden). 2, Durchstechereien von den Beamten“'. So beginnt die Chronik Niko¬ 
laus Warkens, der in diesem Jahr zum legendären Bergarbeiterführer im Saarrevier av¬ 
ancieren sollte. Expandierende Arbeitszeit, stagnierende Löhne, die um sich greifenden 
Korruptionspraktiken und die als Rechtsunsicherheit begriffene Beschneidung des Be¬ 
schwerderechts hatten eine explosive Situation geschaffen. ,,Allein die häufige Klage, 
daß seit der Camphauser Katastrophe der Verdienst noch immer sinke und die starken 
Söhne nicht angelegt werden könnten, während die Besteuerung der Bergleute fort¬ 
während in die Höhe gehe, berührt mich doch sehr empfindlich“1 2 3, schrieb Oesterling 
bereits Ende 1887 an Bischof Korum. Gleichzeitig boten die Gründerjahre den positi¬ 
ven Vergleichsmaßstab: ,,Bis zum Jahre 1875 hatten wir erträgliche Zeiten“5, gab ein 
saarpfälzischer Bergarbeiter Anfang 1889 zu Protokoll und wies anschließend Punkt 
für Punkt die Verschlechterungen nach — ein ,,ruhige(r) besonnene(r) Mann“, wie der 
Homburger Bezirksamtmann Spöhrer betonte. 
Die Ökonomische Situation aktualisierte dieses Konfliktpotential, denn durch die im 
Herbst 1887 einsetzende konjunkturelle Aufwärtsentwicklung4 mußten die Bergarbei¬ 
ter ihre eigene Lage als besonders bedrückend empfinden. Im Sommer und Herbst 
1888 sowie am 1. Januar 1889 konnte die Bergwerksdirektion nach Jahren erstmals wie¬ 
der Preiserhöhungen durchsetzen. ,,Bestimmend war vor allem die Thatsache, daß 
schon heute einzelne Gruben für die kommenden Monate so reichlich gedeckt sind, daß 
die Übernahme weiterer Bestellungen nur bei starker Steigerung der Leistung der Gru¬ 
ben möglich sein wird5, begründete Oberbergrat Rudolf Nasse (1837— 1899)6 diesen 
Schritt. Dennoch konnte die Nachfrage ,,zeitweise ... kaum befriedigt werden“7. Der 
Uberschuß der Bergwerksdirektion stieg im Etatsjahr 1888/89 um fast 1,5 Millionen 
M. auf 8 324 423,96 M8. ,,Seit den 70er Gründungsjahren hat man in Deutschland kei¬ 
ne so umfassende und nachhaltige, aufsteigende Bewegung im Erwerbsleben beobach¬ 
1 Chronik Nikolaus Warkens, LASB, Einzelstücke Nr. 91, S. 1. 
2 Dechant Oesterling/Dudweiler an Bischof Korum/Trier vom 19. 11. 1887, BAT 85/1286, 
3 — 5, Zitat S. 3 f. Vgl. SJZ vom 19. 6. 1889 (Nr. 140). 
3 Bezirksamtmann Spöhrer/HOM an RP/Speyer vom 23. 5. 1889, LASP H 3/1867. 
4 Vgl. Vogelstein, S. 5 — 7. Zörner, S. 7f. W. Born, S. 52. Koch, S. 13. Gladen: 
Streiks, S. 118 — 120. Ilse D a lim eie r : Geschichte der Arbeitskämpfe im rheinisch-westfäli¬ 
schen Steinkohlenrevier, Diss. Köln 1922, S. 17. 
5 Nasse/BWD an MÖA vom 25. 9. 1888, LASB 564/595, 281 -283, Zitat S. 282. Vgl. Eilert/ 
BWD an MÖA vom 26. 6. 1888, ebd., 248-250. Nasse/BWD an MÖA vom 22. 12. 1888, 
LASB 564/597, 2 f. Im Etatsjahr 1888/89 stieg der durchschnittliche Verkaufspreis pro Tonne 
von 7,13 M. auf 7,31 M. Vgl. Nachweisungen der Haushaltsergebnisse, LASB 564/157. 
6 Vgl. Faus, 2. Teil, S. 91. 
7 Zeitungsbericht RP Pommer-Esche/Trier für das 4. Quartal 1888, LHAK 403/9051, 
391 -405, Zitat S. 398 f. 
8 Nachweisungen der Haushaltsergebnisse, LASB 564/157. Das Etatsjahr begann am 1. April 
und endete am 31. März. ,,Der Saarbrücker Bergbau . . . hat trotz den niedrigen Kohlenprei¬ 
sen immer noch recht gute Ausbeuten gegeben und die vom Staate in die Anlagen gesteckten 
Capitalien ununterbrochen sehr reichlich verzinst und amortisirt“, lobte Oberberghauptmann 
Huyssen auf dem Allgemeinen Bergmannstag 1888, August Huyssen : Uber die Bergver¬ 
waltung Preußens, nebst Bemerkungen über die Entwicklung des preußischen Bergbaus in 
den letzten 25 Jahren, Wien 1888, S. 13. 
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