stützungskasse interessiert waren. Dennoch befahl Stumm am 9. Juli 1881 seinen Ar¬
beitern den Boykott der entsprechenden Wirtshäuser und Geschäfte100, nachdem Max
Hirsch sechs Tage zuvor in Neunkirchen einen Vortrag über „Die Arbeiterfrage und
die deutschen Gewerkvereine“ gehalten hatte; jedes Beispiel für Zusammenschluß und
wirtschaftliche Selbsthilfe sollte von vornherein zerstört werden. Die Handwerker und
Geschäftsleute zogen sich nun aus dem Gewerkverein zurück. Als Hirsch daraufhin die
Verfügung als „schamlos“ bezeichnete, forderte ihn Stumm gar zum Duell auf Pisto¬
len101.
Im Mai 1882 veröffentlichte das ,,Neunkircher Tageblatt“ das Gedicht ,,Einst und
jetzt. Klagelied eines Volksschullehrers“'02. Wiederum stammte der Text nicht aus der
Feder Neunkircher Redakteure, er war zuerst im „Deutschen Reichsblatt. Liberale
Wochenschrift für das Volk“ veröffentlicht worden. Doch solche Übernahmen waren
im Einflußbereich Stumms immer für einen Presseskandal gut: Landrat von Richthofen
beantragte das Verbot des Blattes gemäß Sozialistengesetz. Doch Wolff hatte aus der
vergangenen Affäre gelernt. Er gab dem Verbotsantrag nicht statt, da zwar Unzufrie¬
denheit geschürt würde, jedoch keine sozialdemokratische103. Das preußische Innen¬
ministerium aber plagte sich nicht mit derartigen Differenzierungen: Am 27. Juni 1882
erklärte sich Herrfurth in Vertretung Puttkamers mit einem Verbot des „Neunkircher
Tageblattes“ einverstanden104 105. Doch dazu brauchte es nicht mehr zu kommen, denn
die Zeitung schlief von selbst ein. Im Juni 1882 stellte Verleger Weber nochmals einen
Antrag auf „Wiederzuwendung amtlicher Inserate“. Der Neunkircher Bürgermeiste¬
reirat lehnte jedoch einstimmig ab, der Gemeinderat mit einer Gegenstimme. „Eine
erfreuliche Thatsache“, berichtete Landrat von Richthofen nach Trier103.
Die Niederlage in der Auseinandersetzung mit dem „Neunkircher Tageblatt“ schadete
Stumm nicht im geringsten. Er nutzte die Zeit seines Ausscheidens aus dem politischen
Leben zum Ausbau seiner Position im Saarrevier, die ihm nicht nur von Sozialdemo¬
kraten den Titel „König Stumm“ einbrachte106 107. Am 10. Juni 1882 bildeten sich in Saar¬
brücken die beiden wichtigsten Unternehmervereinigungen an der Saar: Die „Südwest¬
liche Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlmdustneller“ und der „Verein zur
Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarindustrie“; letzterer,
die Vorstufe eines Arbeitgeberverbandes mit Schwerpunkt auf der Sozialpolitik, über¬
nahm unmittelbar nach seiner Gründung das „Sozialistengesetz der Saarindustrie“'07.
100 Verfügung abgedruckt bei G a b e 1, S. 75 f. Vgl. B e 11 o t, S. 157 f. Zur Haltung der SZ vgl.
Bruch : Weg und Schicksal, S. 98 f.
101 SGB vom 19.2.1893 (Nr. 8). Vgl. Max Hirsch: Die hauptsächlichsten Streitfragen der Ar¬
beiterbewegung, Berlin 1886. D e r s . : Die Arbeiterbewegung und -Organisation in Deutsch¬
land, Berlin 1892. Ders. : Die Arbeiterfrage und die deutschen Gewerkvereine, Leipzig
1893.
102 Neunkircher Tageblatt vom 2. 5. 1882 (Nr. 102).
103 RP Wolff/Trier an IM vom 4. 5. 1882, LHAK 442/6812, 449-451.
104 Herrfurth/IM an RP/Trier vom 27. 6. 1882, ebd., 503.
105 LR Richthofen/OTW an RP vom 2. 7. 1882, ebd., 595.
106 Am 11. Februar 1882 wurde Stumm als lebenslängliches Mitglied ins preußische Herrenhaus
berufen, am 5. Mai 1888 erhob ihn Friedrich III. zum Freiherrn, seit 1891 durfte er den Na¬
men seines Schlosses Haiberg zusätzlich im Namen führen. Vgl. H e 11 wi g : Stumm, S. 333,
373. Bertha Gräfin Sierstorpff: Carl Ferdinand Freiherr von Stumm-Halberg. Ein Le¬
bensbild, Saarlouis 1924.
107 Vgl. Hellwig: Saarwirtschaft, S. 51-77. Gabel, S. 77- 80. Albert Lütke: 50 Jahre
Wirtschaftlicher Verein im Saargebiet, Saarbrücken 1933.
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